Dunkle Wasser
erworben hat.«
»He«, sagte er lächelnd, »das gefällt mir. Ich verstehe dich.
Ich bin ein Einzelkind, und ich bin mit Onkeln, Tanten und Großeltern aufgewachsen, ich kann es dir also nachempfinden.
Aber du bist mir doch über, weil du noch zwei Brüder und zwei Schwestern hast.«
»Ist es ein Vorteil oder ein Nachteil, wenn man jemandem über ist?«
»Das kommt darauf an. Aus meiner Sicht, Heaven Leigh, ist es ein Vorteil, eine große Familie zu haben, denn dann ist man nie einsam. Ich bin oft allein, und ich wünschte mir, daß ich viele Brüder und Schwestern hätte. Ich finde Tom großartig, er ist lustig und ein anständiger Kerl; und Keith und Unsere-Jane sind so nette Kinder.«
»Und was hältst du von Fanny?«
Er wurde rot und sah betreten aus, bevor er langsam und vorsichtig etwas sagte. »Ich glaube, daß sie einmal eine exotische Schönheit wird.«
»Ist das alles?« Bestimmt wußte er darüber Bescheid, was Fanny mit den Jungen in der Garderobe trieb.
»Nein, das ist noch nicht alles. Ich denke gerade daran, daß von all den Mädchen, die ich kenne und noch kennenlernen werde, Heaven Leigh die einzige ist, die das Zeug dazu hat, die Schönste von allen zu werden. Ich meine, daß diese Heaven besonders aufrichtig und ehrlich ist… Wenn du also nichts dagegen hast, was ich hoffe, dann möchte ich dich gerne jeden Tag nach Hause begleiten.«
Ich war rundherum glücklich! Völlig ausgelassen lief ich ihm lachend davon und rief: »Bis morgen, Logan. Und danke, daß du mich nach Hause begleitet hast.«
»Aber wir sind ja noch gar nicht da«, rief er mir nach, von meiner plötzlichen Flucht ganz verdutzt.
Ich konnte ihm unmöglich zeigen, wo und wie wir hausten.
Sicherlich würde er mich nie wieder sehen wollen, wenn er gesehen hätte, wie wir lebten. »Ein andermal lade ich dich nach Hause ein«, rief ich ihm zu. Ich stand am Rande einer Lichtung, auf die einige Sonnenflecken fielen. Er stand am anderen Ende der kleinen Brücke, die über einen Bach führte.
Hinter ihm wuchs das gelbe wilde Gras, und die Sonne hatte sich in seinen Haaren und seinen Augen verfangen. Und wenn ich tausend Jahre alt werde, ich werde es nie vergessen, wie er lächelte und mir zuwinkte. »Okay. Heaven Leigh Casteel ist vom heutigen Tag an mein.«
Ich sang auf dem ganzen Nachhauseweg, glücklich wie nie zuvor. Ich hatte meinen Vorsatz, mich niemals vor meinem dreißigsten Lebensjahr zu verlieben, vollkommen vergessen.
»Siehst ja ganz glücklich aus«, bemerkte Sarah mit einem Seufzer, als sie kurz vom Waschbrett hochblickte. »War es ein guter Tag?«
»Ja, Mutter, ein sehr guter.«
Fanny steckte ihren Kopf aus der Tür. »Mutter, Heaven hat sich einen Jungen aus dem Tal unter den Nagel gerissen…
Weißt ja, zu welcher Sorte die gehören.«
Sarah seufzte erneut. »Heaven, du hast ihn doch nicht rangelassen… oder?«
»Mutter«, empörte ich mich. »Du weißt doch, daß ich das nie tun würde!«
»Tut sie doch!« schrie Fanny aus der Tür. »Sie benimmt sich ganz schamlos mit den Jungs in der Garderobe, wirklich schamlos!«
»Na warte, du gemeine Lügnerin!« Ich stürzte auf sie zu, aber Tom schubste sie aus der Tür hinaus in den Hof, wo sie hinfiel und sofort zu heulen anfing. »Mutter, Heavenly treibt sich nicht herum.
Fanny selbst ist das schamloseste Mädchen in der ganzen Schule, und das will was heißen.«
»Ja, ja«, murmelte Sarah und reichte mir die Wäsche, »das will wirklich was heißen. Weiß schon, welche es am schlimmsten treibt, braucht’s mir nicht zu erzählen. Ist meine Indianer-Fanny, das Teufelsmädel mit ihrer Wildheit und den koketten Augen, die sie früher oder später in die gleiche Misere stürzen werden, in der ich gelandet bin. Heaven, bleib bei deinem Vorsatz und sag immer nein! – Zieh jetzt das Kleid aus und fang mit der Wäsche an. Fühl’ mich in letzter Zeit nicht so gut. Versteh’ gar nicht, warum ich jetzt dauernd so müde bin.«
»Solltest vielleicht zum Doktor gehen, Mutter.«
»Mach’ ich, wenn man es umsonst kann.«
Ich erledigte die Wäsche und hängte sie mit Toms Hilfe auf die Wäscheleine. Als wir damit fertig waren, sah es aus wie ein paar Meter Lumpen. »Magst du Logan Stonewall?« fragte mich Tom.
»Ja, glaub’ schon…« sagte ich und wurde dabei rot.
Tom sah bedrückt aus, gerade so, als könnte Logan eine Mauer zwischen uns aufrichten. Aber nichts und niemand auf der Welt wäre dazu imstande gewesen.
»Aber, Tom, vielleicht schenkt dir Miß
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