Dunkle Wasser
Mehl in einer kleinen Schüssel vermischte, bis es ohne Klümpchen war, bevor ich das heiße Fett darübergoß. Ich rührte und rührte. Dann kostete ich es, fügte ein wenig Salz dazu, rührte das Ganze wieder. Ich spürte regelrecht die hungrigen Augen von Keith und Unserer-Jane, die die Mahlzeit fast mit den Augen verschlangen, Großvater schaukelte und schaukelte, mit glasigen Augen, die knochigen Hände klammerten sich an die Lehne. Er schien für heute abend keine Mahlzeit zu erwarten. Nach Unserer-Jane und Keith, die am meisten litten, traf es Großvater, der so schnell abmagerte, daß mir bei seinem Anblick fast die Tränen kamen.
»Annie konnte den besten Blaubeerkuchen backen«, murmelte Großvater verträumt vor sich hin. Er hielt seine Augen geschlossen, seine dünnen Lippen bebten.
»Hast du nur zwei Stück Brot für uns sechs?« fragte Fanny.
»Soll das bedeuten, jeder kriegt ‘n Krümel ab?«
»Nein, Madame. Keith und Unsere-Jane kriegen von mir jeder eine Hälfte, Großvater kriegt die andere. Du, Tom und ich, wir werden die letzte Hälfte in drei Portionen teilen.«
»‘n Krümel! Wie ich’s gesagt hab’! Großvater braucht nicht
‘ne ganze Hälfte für sich.«
Großvater schüttelte den Kopf. »Bin nicht hungrig, Heaven, mein Kind. Gib meine Hälfte Fanny.«
»Nein! Das habe ich schon heute morgen getan. Fanny soll ihre Portion essen oder das Essen bis morgen seinlassen. Sie kann auch warten, bis Tom mit Fleisch zurückkommt.«
»Ich werd’ nicht auf Tom warten«, tobte Fanny und schmiß sich in einen Stuhl. »Ich werd’ jetzt essen! Bin dreimal so groß wie Unsere-Jane. Sie muß keine ganze Hälfte haben.«
Ich arbeitete so langsam wie möglich, nicht, daß ich allzuviel zu tun gehabt hätte. Zwei Katzen waren heute zurückgekehrt, eine schwarze und eine weiße. Beide saßen oben auf einem Regal zwischen Pfannen und Töpfen, und beide starrten mich mit ihren hungrigen Augen hoffnungsvoll an. Sie brauchten ihre Nahrung wie wir. Und ich starrte zurück und überlegte, ob jemand wohl schon einmal Katzen gegessen hatte.
Dann sah ich hinunter zu Vaters altem Jagdhund, der mit den Katzen zurückgekommen war. Allein der Gedanke, daß man seine Lieblingstiere als Nahrung verwenden könne, war schrecklich. Aber genau das tat ich.
Plötzlich stand Fanny neben mir. Flüsternd wies sie auf Snapper, den Vater von allen seinen Hunden am meisten liebte. Er war sechzehn Jahre alt und fast blind, und trotzdem erjagte er sich immer eine Beute und kam wohlgenährt nach Hause. »Der hat Fleisch auf den alten Knochen«, sagte Fanny eindringlich. »Würd’ gerne wieder mal Fleisch essen. Du kannst es, Heaven, ich weiß es. Schlitz ihm den Hals auf, wie sie’s bei den Schweinen machen. Für Unsere-Jane, für Keith…
und Großvater – mein Gott, wir alle hätten was zu beißen…«
In diesem Augenblick öffnete Snapper seine schläfrigen, verhangenen Augen und sah mich gefühlvoll an. Ich sah hinüber zu Unserer-Jane und Keith, die beide jammerten.
»Lieber glaubt ‘n alter Hund dran als wir«, sagte Fanny einschmeichelnd. »Brauchst ihm nur eins über ‘n Schädel zu ziehen.« Sie reichte mir das Beil, mit dem wir das Holz für Old Smokey kleinhackten. Auch jetzt wieder spie er beißenden, schwarzen Rauch aus, daß unsere Augen tränten.
»Komm schon, ich weiß, du schaffst’s«, sagte Fanny ermunternd und schob mich in Richtung Snapper. »Geh mit ihm nach draußen, dann zeig’s ihm.« Plötzlich sprang Snapper hoch, als ahnte er, was ich vorhatte, und raste zur Tür. Entsetzt schrie Fanny auf und lief hinter ihm her. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und Snapper entfloh, wie von Furien gejagt, vor unseren mörderischen Absichten hinaus in die dunkle Nacht.
Tom trat grinsend herein, die Flinte trug er über der einen Schulter, und über der anderen hing ein Sack, in dem sich etwas Schweres befand.
Sein breites Lächeln erstarb, als er das Beil in meiner Hand erblickte und mein schuldbewußtes Gesicht sah. »Du wolltest Snapper töten?« Seine Stimme klang fassungslos. »Ich dachte, du liebst diesen Hund.«
»Tu’ ich auch«, schluchzte ich.
»Hast mir nicht vertrauen können!« sagte er bitter. »Bin den ganzen Weg hin und zurück gerannt.«
Er schleuderte den Sack auf den Tisch. »Zwei Hühner drin.
Race McGee wird sich bald wundern, wer in seinem Hühnerstall geballert hat. Wenn er’s herauskriegt, daß ich’s war, schießt er mich übern Haufen. Dann sterb’ ich
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