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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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das Sarah uns zurückgelassen hatte? Warum klammerte ich mich an den Glauben, daß Vater wie durch ein Wunder auftauchen würde, wenn unsere Vorräte ausgegangen waren? Wo war er überhaupt?
    »Tom, kann man eigentlich bei Dunkelheit angeln?« fragte ich.
    Er blickte erstaunt von seinem Buch hoch. »Willst du, daß ich im Dunkeln angeln geh’?«
    »Du könntest ja gleichzeitig bei den Hasenfallen nachsehen.«
    »Hab’ schon nachgesehen, auf dem Weg von der Schule. War nichts. Wie soll ich sie in der Nacht finden, wo ich sie doch so gut versteckt hab’?«

»Dann mußt du jetzt angeln gehen«, flüsterte ich ihm ins Ohr,
    »sonst haben wir nichts weiter zu essen als etwas Brot, und ich kann von Glück sagen, wenn ich etwas Griebenschmalz zusammenkratzen kann.« Ich mußte sehr leise sprechen; wenn Unsere-Jane oder Keith mich gehört hätten, dann wäre ein unerträgliches Gezeter nicht zu vermeiden gewesen. Unsere-Jane mußte regelmäßig essen, sonst bekam sie Bauchschmerzen. Und wenn sie Bauchschmerzen hatte, fing sie zu weinen an. Und wenn sie weinte, war es unmöglich, irgend etwas zu tun.
    Tom stand auf und nahm die Schrotflinte, die an der Wand hing, herunter. Er reinigte sie. »Die Jagdsaison hat grad begonnen… Vielleicht läuft mir was vor die Flinte.«
    »Heißt das, daß wir nichts zu essen haben, wenn du nichts erwischst?« kreischte Fanny. »Jesus, da gehen wir ja ein, wenn wir von deinen Schießkünsten abhängig sind!«
    Tom stakste zur Tür und sah Fanny noch einmal lange und voller Abscheu an. »Also, mach dein Griebenschmalz fertig –
    in einer halben Stunde bin ich mit einem Stück Fleisch zurück
    – wenn ich Glück habe«, sagte er und wandte sich lächelnd zu mir.
    »Und wenn du keins hast?«
    »Ich komm’ nicht eher nach Hause, bis ich was hab!«
    »Also dann«, sagte Fanny, rollte sich zur Seite und starrte in einen kleinen, billigen Spiegel, »wir werden Tom wohl kaum wiedersehen.«
    Tom warf die Tür hinter sich zu und war verschwunden.
    Angeln und Jagen gehörten jetzt zu unserem Tagesablauf.
    Den halben Tag hatte ich schon zuweilen im Freien verbracht, hatte Fallen gestellt und unsere Angeln mit Ködern versehen.
    Tom hatte Schlingen für Hasen und Eichhörnchen gelegt. Wir hatten Pilze gesammelt. Großmutter hatte uns beigebracht, wie man die giftigen erkannte. Wir hatten auch schon so viele Beeren gepflückt, daß uns die Finger von den Dornen bluteten.
    In den Wäldern hatten wir nach wilden Bohnen und Erbsen gesucht und in der Nähe von Winnerrow nach Rüben gegraben. Wir stahlen Spinat, Salat, Wirsing und anderes aus den Gemüsegärten in Winnerrow. Als aber dann der Winter einbrach, wuchsen keine Beeren mehr. Erbsen und Bohnen vertrockneten. Hasen und Eichhörnchen hielten Winterschlaf.
    Unsere Fallen, die nun auch keine verlockenden Köder mehr hatten, beachteten sie nicht. Die Pilze liebten die frostigen Nächte ebensowenig wie wir. Unser Vorrat schrumpfte praktisch auf Null.
    »Heaven«, jammerte Fanny. »Koch doch einfach, was wir haben. Können doch nicht die halbe Nacht rumsitzen und warten, bis Tom mit nichts zurückkommt. Ich weiß, du hast irgendwo noch Erbsen und Bohnen versteckt.«
    »Fanny, wenn du wenigstens gelegentlich etwas helfen würdest, dann hätte ich vielleicht wirklich irgendwo noch Erbsen und Bohnen aufbewahren können… Das einzige, was ich habe, ist etwas Schmalz und zwei kleine Brote.« Ich sagte es sehr leise, damit Keith und Unsere-Jane mit ihren guten Ohren nicht mithören konnten.
    Ausnahmsweise hatte es Großvater aber verstanden. Er drehte seinen Hals in meine Richtung. »Kartoffeln sind noch im Boden von der Räucherkammer.«
    »Alles schon vorige Woche verbraucht, Großvater.«
    Unsere-Jane ließ einen furchtbaren Schrei los. »Muß essen«, heulte sie. »Tut weh! Bauch tut so weh… Hevlee, wann essen wir?«
    »Jetzt«, sagte ich. Ich eilte zu ihr, hob sie hoch und setzte sie an den Tisch in den Stuhl, der mit zwei Brettern erhöht worden war. Ich küßte ihren schlanken Nacken und streichelte ihr weiches Haar. »Komm, Keith. Du und Unsere-Jane, ihr könnt heute abend zuerst essen.«
    »Was soll das heißen, sie können zuerst essen? Und ich?«
    schrie Fanny. »Ich gehöre genausogut zur Familie wie sie.«
    »Fanny, du kannst ja so lange warten, bis Tom zurückkommt.«
    »Wenn er erst was jagen muß, dann bin ich reif für die Grube, bis er kommt!«
    »Du bist wehleidig«, sagte ich, während ich das bißchen Fett erhitzte, etwas Wasser und

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