Dunkle Wasser
haben noch nie Kohle gehabt! Würd’s mir so sehr wünschen. Hab’ gehört, ‘s gibt bessere Wärme als Holz.«
Ich unterbrach sie schnell. »Wie du weißt, Logan, ist Fanny eine gierige Person und nur darauf aus, soviel wie möglich zu bekommen. Also vergiß, was sie daherredet. Es geht uns gut, wie du siehst. Ich hoffe, dein Auge wird bald gesund und du kannst die Sonnenbrille abnehmen.«
Er schien beleidigt und hielt sich eng an Tom, der ihn hinausführte. »Auf Wiedersehen, Mr. Casteel«, sagte er zu Großvater. »Bis später, Keith, Unsere-Jane… und behalt deine Kleider an, Fanny.« Zuletzt wandte er sich mir zu, als wollte er mich berühren oder mich an sich ziehen. Ich blieb aber sitzen, fest entschlossen, sein Leben nicht mit den Problemen der Casteels zu belasten. »Ich hoffe, du kommst bald wieder zur Schule.« Mit einer Handbewegung bezog er Fanny, Keith und Unsere-Jane mit ein. »Wenn du je etwas brauchen solltest, vergiß nicht, daß mein Vater einen Laden voller Sachen hat.
Und was er nicht hat, kann man woanders besorgen.«
»Wie nett von dir«, war meine höhnische, undankbare Antwort. »Mußt dir ja mächtig groß und reich vorkommen…
Meine Güte, ich frag’ mich wirklich, warum du deine Zeit mit einem Hillbilly-Mädchen verplemperst.«
Er tat mir leid, wie er verdattert im Türrahmen stand und mich anstarrte. »Auf Wiedersehen, Heaven. Ich habe mein Augenlicht riskiert, um hier heraufzukommen – ich sollte eigentlich nicht bei Schnee in die Sonne gehen –, trotzdem habe ich es getan. Aber ich bereue es jetzt. Ich wünsche dir alles Gutes, aber ich komme nicht mehr her, nur um mich beleidigen zu lassen.«
›Ach Logan, bitte geh nicht beleidigt weg‹, dachte ich. Aber ich sprach diese Worte nicht aus. Ich schaukelte nur weiter vor mich hin, ohne mich zu rühren, als er die Tür hinter sich zuschlug. Tom rannte ihm nach, um ihn auf dem sichersten Weg durch den Wald hinabzubegleiten, damit er sich nicht verirrte, gerade weil er diese verdammte Sonnenbrille trug.
»Mann, warst du ekelhaft zu Logan«, sagte Tom, als er zurückkehrte. »Hab’ richtig Mitleid mit ihm gehabt, daß er den ganzen Weg halb blind heraufgetrabt ist, nur um ein scheußliches Mädchen zu besuchen, das ihn mit ihren Augen angeblitzt hat und so verrückt ist, ihm die Hucke voll zu lügen… Du weißt doch, daß wir kaum was haben. Er hätte uns helfen können.«
»Tom, soll wirklich jeder erfahren, daß Vater… du weißt schon was… hat.«
»Nein… Aber müssen wir ihm von Vater erzählen?«
»Wir müssen doch einen Grund finden, warum er nicht da ist, oder? Wahrscheinlich nimmt Logan an, daß er immer noch kommt und geht und uns mit Essen versorgt.«
»Da haste recht«, stimmte Tom mir zu, der immer dann schlampig sprach, wenn er entmutigt und hungrig war. »Auf zu den Angeln, Fallen – und haltet mir die Daumen.« Kaum hatte er seine Hände aufgewärmt, verließ er wieder die Hütte auf der Suche nach Nahrung. Wir konnten unsere Legehennen nie behalten, weil sie in unserem Kochtopf immer einen allzu frühen Tod fanden.
Nachdem Sarah uns verlassen hatte, wurde das Leben nicht nur um einiges schwerer, sondern auch komplizierter. Wir konnten uns kaum noch das Lebensnotwendigste kaufen. Wir hatten nur noch so wenig Petroleum, daß wir Kerzen benutzten.
Die Stunden schlichen nun immer dahin wie eine halbe Ewigkeit, bis das Leben wieder begann, wenn Tom mit Fanny und Keith und manchmal auch mit Unserer-Jane wieder nach Hause kam. Ich wollte mir einreden, daß Großvater kein Problem sei und daß ich, wenn Unsere-Jane wieder ganz gesund war, in die Schule gehen könne. Er würde schon selbst auf sich aufpassen. Aber ich brauchte ihn mir nur anzusehen, um eines Besseren belehrt zu werden; er war vollkommen hilflos ohne Großmutter. »Geh schon«, sagte Großvater einmal zu mir, nachdem ich die Hütte aufgeräumt hatte und mir den Kopf zerbrach, was wir an diesem Tag essen sollten. Es war kurz vor Thanksgiving. »Brauch’ dich nicht. Komm’ allein zurecht.«
Vielleicht stimmte das auch, aber am nächsten Tag war Unsere-Jane wieder erkältet. »Hunger«, wimmerte sie und zupfte an meinem Schürzenkleid. »Will essen.«
»Natürlich, Liebes. Ruh dich nur aus und schlüpf ins Bett.
Gleich ist das Essen fertig.« Wie leicht mir das über die Zunge ging, obwohl wir nichts im Haus hatten außer etwas angeschimmeltem Brot und einer halben Tasse Mehl. Warum war ich bloß nicht sparsamer mit dem Essen umgegangen,
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