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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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daß ich meinen Stolz loswerden könnte und so wäre wie Fanny. »Es ist sehr freundlich von Ihnen, uns einzuladen, sehr hilfsbereit, aber wir müssen vor Anbruch der Dunkelheit zu Hause sein.«
    »Hören Sie ihr bloß nicht zu, Miß Deale«, kreischte Fanny.
    »Wir hungern schon, seitdem Vater fortgegangen ist! Mutter ist weg, Großmutter ist tot, und Großvater wird ‘n ganzen Tag brauchen, bis er die Reise zurück gemacht hat. Und wenn wir zu Haus sind, haben wir nichts zum Beißen. Und es wird sowieso dunkel sein, wenn wir oben sind.«
    »Vater kann jeden Tag zurück sein«, warf ich hastig ein.
    »Nicht wahr, Tom?«
    »Klar, jeden Augenblick«, bestätigte Tom und blickte sehnsüchtig auf das Restaurant auf der anderen Straßenseite.
    Wir hatten schon oft in das Restaurant hineingeschaut und uns gewünscht, einmal nur an einem der runden Tische zu sitzen, mit dem frisch gestärkten weißen Tischtuch und der Vase mit der einzelnen Rose darin, mit den Kellnern, die in Schwarz und Weiß gekleidet waren, den hübschen Stühlen mit den roten Samtbezügen; wie wunderschön die Farben zusammenpaßten.
    Bestimmt duftete es drinnen ganz paradiesisch, gar nicht daran zu denken, wie warm es sicherlich war und wie gut das Essen schmeckte.
    »Eure Mutter ist fort…?« fragte Miß Deale, und ihr schönes Gesicht hatte einen eigenartigen Ausdruck angenommen. »Ich habe in der Stadt Gerüchte gehört, daß sie für immer weg sei.
    Stimmt das?«
    »Weiß ich nicht«, antwortete ich kurz angebunden.
    »Vielleicht ändert sie ihre Meinung und kommt zurück. Sie ist so.«
    »Keine Spur!« legte Fanny los. »Sie kommt nie wieder zurück! Sie hat’s auf ‘nen Zettel geschrieben. Vater hat’s gelesen und ist fuchsteufelswild geworden! Dann ist er abgehauen und hinter ihr her… Uns geht’s ganz schlecht, Miß Deale, allen… Haben keine Mutter, keinen Vater nicht, haben nichts zu essen, keine warmen Kleider und meistens nicht genug Brennholz… Es ist scheußlich, einfach scheußlich!«
    Ich hätte Fanny am liebsten auf der Stelle erschossen. Fanny hatte unsere verzweifelte Lage mitten im Drugstore hinausgebrüllt, wo mindestens zwanzig Paar Ohren jedes Wort gehört hatten.
    Mit hochrotem Gesicht stand ich da und wünschte mir, ich möge im Erdboden versinken oder mich in Luft auflösen, so beschämt und erniedrigt fühlte ich mich nun, da unser Geheimnis enthüllt worden war. Es war, als stünde man nackt in der Öffentlichkeit. Ich wollte Fanny zurückhalten, immer weiter zu erzählen und Familiengeheimnisse zu verraten. Dann sah ich hinüber zu Großvater und zurück zu Keith und Unserer-Jane und seufzte schwer. Was galt mein Stolz schon gegenüber den großen eingesunkenen Augen, die mich hungrig anblickten? Wie konnte ich so dumm sein und das Angebot dieser gütigen und mitfühlenden Frau ablehnen? Ich kam zu dem Entschluß, daß ich ganz einfach ein Dummkopf war.
    Fanny hatte zehnmal mehr Verstand als ich.
    »Komm, Heaven, wenn Fanny in einem Restaurant essen will und Tom scheinbar auch nichts dagegen hat, Keith und Unsere-Jane so dünn sind, dann kannst du nicht gegen die Mehrheit stimmen. Du bist überstimmt, und es ist beschlossene Sache. Die Casteels sind diesen Sonntag zu Mittag meine Gäste und ab jetzt jeden Sonntag, bis euer Vater zurückkommt und sich wieder um euch kümmern kann.«
    Ich mußte meine Tränen hinunterschlucken. »Nur wenn Sie uns erlauben, Ihnen eines Tages alles zurückzuzahlen.«
    »Natürlich, Heaven.«
    Das Schicksal war in unser Leben getreten – in einem teuren Kostüm mit einem Nerzkragen –, und wenn das Schicksal so gut gekleidet daherkam, wer konnte ihm dann widerstehen?
    Wie Moses, der seine hungrige Horde anführte, schritt Miß Deale über die Straße. Unsere-Jane klammerte sich hingebungsvoll an ihre behandschuhte Rechte. Stolzer als ein Pfau betrat sie das teure Restaurant, wo die schwarzweiß gekleideten Männer uns wie Zirkusmonster anstarrten und hofften, wir würden uns in nichts auflösen. Die anderen Gäste rümpften die Nase und sahen uns abschätzig an. Miß Deale aber lächelte in die Runde.
    »Ach, guten Tag, Mr. und Mrs. Holiday«, strahlte sie und nickte einem gutaussehenden Paar zu, das ebenso elegant wie sie gekleidet war, »wie nett, Sie wieder einmal zu sehen. Ihr Sohn ist ein ausgezeichneter Schüler. Sie sind bestimmt stolz auf ihn. Es ist wunderbar, zusammen mit einer Familie zu essen.« Und sie segelte zielsicher wie ein Schiff auf seinen Heimathafen auf den

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