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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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wiederkäm’. Wollt’ wissen, was wir so alles brauchen und welche Kleider- und Schuhgröße jeder von uns hat. Sie flehte mich an, ihr zu sagen, was wir am dringendsten benötigen. Aber was hätt’ ich ihr sagen sollen, unsere Wunschliste wär’ ja kilometerlang geworden! Wir brauchen eigentlich alles dringend und am dringendsten Essen. Und weißt du, ich bin wie ein Esel dagestanden und hätte mir gewünscht, ich wär’ wie Fanny und könnt’ alles laut rausschreien. – Aber ich brachte keinen Ton raus, und nu’ ist sie weg. Der einzige Mensch, der freundlich zu uns war, ist weg.«
    »Aber sie wird uns Geschenke schicken.«
    Er lachte. »Nanu, wo ist dein Stolz geblieben?«
    Drei Tage vergingen, aber es kamen keine Geschenke.
    Am Tag vor Weihnachten kehrte Tom mit schlechten Nachrichten zurück. »Bin in den Laden gegangen, von dem mir Miß Deale erzählt hat, und hab’ nachgefragt, wo die Sachen bleiben. Die sagten dort bloß, daß sie in unsre Gegend keine Lieferungen machen. Ich hab’ mit ihnen gestritten, aber sie bestanden darauf, daß wir warten sollen, bis Miß Deale zurückkam’ und eine Gebühr zahlen tät. Heavenly, wahrscheinlich haben sie’s ihr nicht gesagt, sonst hätt’ sie’s bestimmt erledigt. Das weiß ich ganz genau.«
    Ich zuckte mit den Achseln, als wäre es mir gleichgültig. Na gut, wir würden es auch so schaffen. Aber ich war doch traurig.
    Am nächsten Tag aber tobte ein echtes Winterunwetter im Gebirge, auf das wir nicht vorbereitet waren. Überall stopften wir Stoffetzen in die Ritzen – unter die Türen, zwischen die Fußplanken und die klappernden Fenster. Unsere Hütte sah jetzt von innen wie ein altes, gestricktes Kopftuch aus und bot
    – trotz der Kälte, der Kakerlaken und Spinnen – eine gute Unterkunft. Im Gebirge ging die Sonne jetzt sehr rasch unter, und im Handumdrehen wurde es dunkel. In der Nacht sank die Kälte wie eine alles erstickende Eisdecke herab. Obwohl wir, eingehüllt in mehrere Schlafdecken, in der Nähe des Ofens schliefen, war der Boden so kalt, daß wir erbärmlich froren.
    Großvater schlief im großen Messingbett – wenn er es nicht vergaß, seinen Schaukelstuhl überhaupt zu verlassen.
    Außerdem wollte ich auch, daß er seine müden, alten Knochen dort ausruhen konnte und sich nicht auf den Boden legen mußte.
    »Nein«, widersprach Großvater eigensinnig. »So was ist nicht recht, wenn die Kleinen das Bett dringender brauchen. Und keine Widerrede, Heaven, mein Kind, tu, was ich sag’. Steck Jane und Keith ins Bett, und ihr Großen rückt zusammen, dann könnt ihr euch gegenseitig warmhalten.«
    Es tat weh, Großvater das Bett wegzunehmen, aber er konnte in solchen Dingen unerhört halsstarrig sein. Und ich hatte ihn immer für einen Egoisten gehalten! »‘s Bett ist für die Kleinsten«, darauf bestand er, »für die Schwächsten« – und dies waren natürlich Unsere-Jane und Keith.
    »Moment mal«, kreischte Fanny mit ihrer Trompetenstimme.
    »Wenn die Kleinen schöne warme Betten brauchen tun, dann bin ich aber die nächste in der Reihenfolge. Ist ja auch noch genug Platz für mich da.«
    »Wenn’s für dich genug Platz hat, dann aber auch für Heaven«, sagte Tom mit Nachdruck.
    »Und wenn ich Platz habe, dann kann sich auch eine Person mehr dazulegen«, fügte ich hinzu.
    »Ist nicht genug Platz für Tom!« zeterte Fanny.
    Natürlich war genug Platz.
    Tom fand am Fußende des Bettes eine freie Stelle für sich, den Kopf auf der Seite von Unserer-Jane und Keith, damit nicht die längeren Beine von Fanny und mir mit den nackten –
    und zudem kalten – Füßen vor seinem Gesicht lagen.
    Bevor Tom schlafen ging, mußte er aber noch einmal Holz hacken, damit wir ein stärkeres Feuer bekamen, um das Eiswasser zu schmelzen. Old Smokey spie dabei wie immer beißenden Rauch aus.
    Tom stand auch in der Nacht auf, um Holz nachzulegen.
    Allerdings hatten wir nur noch wenig Holz. Tom war nach der Schule jede freie Minute, bis es dunkel wurde, und den ganzen Samstag und Sonntag außerdem, damit beschäftigt, Holz für unseren alten Ofen kleinzumachen, das so schnell in seinem Rachen verschwand wie Erdnüsse in einem Elefanten.
    Er hackte so viel Holz, daß ihm seine Arme und sein Rücken schmerzten. Und da die Muskeln so weh taten, schlief er auch unruhig. Ich stand auf und rieb ihm seinen Rücken mit heißem Rizinusöl ein. Großmutter schwor auf Rizinus, es half gegen jede Krankheit. Mit genügend Rizinus konnte man auch abtreiben – davon

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