Dunkle Wasser
immer schon gewußt, daß es irgendwo einen Platz für mich geben müsse, der besser als die verdreckte, jammervolle Hütte war.
Von Anfang an betrachtete ich es als Kittys Haus. Schon der befehlsgewohnte Ton, in dem sie Cal angewiesen hatte, mein
»schmutziges Zeug« im Keller zu verstauen, zeigte offensichtlich, daß dieses ihr Haus war. Zwischen all den verspielten, typisch weiblichen Nippes deutete auch nichts auf eine männliche Gegenwart hin. Ich hatte den untrüglichen Eindruck, daß Kitty Herr im Haus war.
Während Cal ihrem Befehl folgte, hastete Kitty von einer Lampe zur anderen, um sie anzuknipsen, so als habe sie Angst vor schummerigen Ecken. Bald aber sah ich ein, daß meine Vermutung falsch gewesen war; Kitty schaute überall nach, ob sie irgendwelche Mängel an dem frisch tapezierten Zimmer entdecken konnte.
»Ist es nicht tausendmal schöner als in Winnerrow… diesem blöden Bauernkaff? Zu meiner Zeit hab’ ich’s nicht erwarten können abzuhauen. Weiß gar nicht, warum ich immer wieder zurückkehre.« Ein Schatten des Unmuts huschte über ihr hübsches Gesicht. Kurz darauf begann sie sich wieder über die Handwerker zu beschweren, die so viel »falsch« gemacht hätten, weil sie nicht dabeigewesen war. Sie sah ihr Zuhause mit anderen Augen als ich – denn sie fand es anscheinend nicht besonders schön.
»Sieh dir bloß an, wo die meine Stühle wieder hingestellt haben. Und die Lampen erst! Aber auch nichts steht auf dem richtigen Platz! Dabei hab’ ich’s ihnen ganz genau erklärt, wie ich’s haben will. Kannst Gift darauf nehmen, daß ich sie mir noch mal vorknöpfen werd’…«
Ich wußte eigentlich nicht genau, was sie meinte – alles schien mir vollkommen in Ordnung zu sein.
Kitty warf mir einen flüchtigen Blick zu und sah, daß ich voll Bewunderung war. »Na, sag schon, wie findest du’s?«
erkundigte sie sich mit einem nachsichtigen Lächeln.
Ihr Wohnzimmer war geräumiger als unsere ganze Hütte –
aber die größte Überraschung bereitete mir der bunte Zoo, der dort aufgestellt war. Überall auf den Fensterbänken, in den Eckschränkchen, auf den Tischen, den weißen Teppich entlang bis zur Treppe, saßen, standen oder lagen Tiere; Tierköpfe und
-gestalten dienten als Bilderrahmen, Lampenfüße, Körbe, Obstschalen und Schemel.
Pflanzen sprossen aus den Rücken riesiger Keramikfrösche mit hervorquellenden Augen und dunkelroten Zungen.
Überdimensionale Goldfische mit aufgesperrten Mäulern und verschreckten himmelblauen Augen dienten ebenso als Blumentöpfe. Es gab blaue Gänse, weiße und gelbe Enten, lila und rosa getupfte Hühner, braune und gelbliche Hasen, rosa Eichhörnchen, dicke, grell rosarote Schweine mit lustigen Kringelschwänzchen. »Komm«, sagte Kitty, packte mich bei der Hand und zerrte mich mitten durch ihren Hauszoo, »mußt sie dir ganz aus der Nähe angucken, damit du siehst, wieviel Talent man dafür haben muß.«
Ich war sprachlos.
»Was ist, sag doch was!« befahl sie mir.
»Es ist wunderschön!« hauchte ich. Das viele Weiß – die wie mit seidenen Baumringen gemusterte Tapete, die weißen Klubsessel, das weiße Sofa, die weißen Lampenschirme über den bauchigen, weißschimmernden Lampenfüßen – machten großen Eindruck auf mich. Kein Wunder, daß Kitty von unserer Hütte mit ihrem generationsalten Schmutz so entsetzt gewesen war. Hier gab es einen Kamin, dessen Sims und Einfassung aus weißem Holz waren und der eine Kaminplatte aus weißem Marmor besaß; es gab Tische aus kostbar aussehendem, dunklem Holz – später erfuhr ich, daß es Rosenholz war – und Tische aus Messing und Glas. Nirgends ein Staubkörnchen. Nirgends Fingerabdrücke. Alles war an seinem rechten Platz.
Sie stand neben mir, als wollte sie selbst ihr kostbares Wohnzimmer durch meine naiven Landmädchen-Augen betrachten, während ich mich fürchtete, auf den weißen Teppich zu treten, der gewiß schneller schmutzig wurde, als ein Hund mit seinem Schwanz wackeln konnte. Ich sah hinunter auf meine klobigen, häßlichen, alten Schuhe und zog meine Füße sofort von dem Teppich zurück.
Verzückt und wie im Traum wandelte ich von einem Gegenstand zum anderen. Überall standen Katzen, fette, magere, schleichende, geschmeidige, gleitende Katzen. Und hockende, stehende, schlafende Hunde; Elefanten und Tiger, Löwen und Leoparden, Pfauen und Fasane, Papageien und Eulen. Eine verwirrende Ansammlung von Tieren.
»Toll, gell, meine Werke? Hab’ sie mit eigenen Händen
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