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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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beobachtet, aber ich hatte noch nie eine Stadt bei Nacht gesehen. Meine Müdigkeit war wie verflogen, ich sah mir alles begierig an und kam mir zum ersten Mal wie eine Landpomeranze vor, eben wie ein richtiger Hillbilly. Dies war nicht wie Winnerrow, es war die größte Stadt, die ich je in meinem Leben gesehen hatte.
    Wie magnetisch angezogen, fuhr der Wagen die goldenen Torbögen hindurch, ohne daß es eine weitere Diskussion zwischen den Eheleuten gab. Bald saßen wir an einem der kleinen Tische. »Warst du wirklich noch nie bei McDonald’s?« fragte Kitty abgestoßen und amüsiert zugleich.
    »Ich wette, du weißt nicht mal, was ‘n Kentucky Fried Chicken ist.«
    »Was ist das?«
    »Cal, das Mädchen ist wirklich dumm. Richtiggehend dumm.
    Und ihr Vater hat uns noch gesagt, sie wär’ intelligent.«
    Hatte Vater das wirklich gesagt? Es war eigenartig, das zu erfahren. Aber er hätte alles behauptet, um an die fünfhundert Dollar zu kommen.
    »In einem solchen Schuppen zu essen, hat noch niemanden intelligent gemacht, Kitty. Nur weniger hungrig.«
    »Ich wette, du warst noch nicht mal im Kino, oder?«
    »Doch, war ich«, sagte ich schnell. »Einmal.«
    »Einmal! Hast du das gehört, Cal? Dieses intelligente Mädchen ist einmal im Kino gewesen. Das ist ja wirklich ‘n Ding. Was haste denn noch Intelligentes gemacht?«
    Wie konnte ich ihr antworten, wenn sie mich in diesem höhnischen und sarkastischen Ton fragte?
    Auf einmal hatte ich Sehnsucht nach Großvater, nach der armseligen Hütte und nach meiner bekannten Umgebung.
    Wieder sah ich die Bilder vor mir, die ich eigentlich verdrängen wollte: Ich sah, wie Unsere-Jane und Keith
    »Hevlee« riefen. Ich mußte ein-, zweimal mit den Augen blinzeln und war froh, daß ich die wunderbare Puppe bei mir hatte. Wenn Kitty sie sehen würde, wäre sie bestimmt sehr stark beeindruckt.
    »Also… Was hältst du von dem Hamburger?« erkundigte sich Kitty, die ihren in ein paar Sekunden hinuntergeschlungen hatte und nun dabei war, rosa Lippenstift aufzutragen. Ihr Mund war immer bemalt. Trotz ihrer langen Fingernägel, die in der gleichen Farbe wie ihre Kleidung glänzten, ging sie geschickt mit dem Lippenstift um.
    »Es hat sehr gut geschmeckt.«
    »Warum hast du dann nicht ganz aufgegessen? Wenn wir dir was zum Essen kaufen, dann erwarten wir auch, daß du alles aufißt.«
    »Kitty, sprich nicht so laut. Laß das Mädchen in Ruhe.«
    »Ich mag auch deinen Namen nicht«, brauste Kitty auf, so als ärgere sie sich darüber, daß Cal mich verteidigte. »Ist’n dummer Name. Heaven – das ist ‘n Ort und kein Name. Was ist’n dein zweiter Vorname, etwa auch so was Blödes?«
    »Leigh«, antwortete ich ihr eisig. »Der Name meiner Mutter.«
    Kitty fuhr zusammen. »Verdammt!« fluchte sie und hieb ihre Fäuste gegeneinander. »Hass’ diesen Namen!« Sie begegnete dem milden Blick ihres Mannes mit zornigen, wasserhellen Augen. »Das war ihr Name. So hieß das Flittchen aus Boston, das sich Luke geschnappt hat! Ich will diesen Namen nie wieder in meiner Gegenwart hören, verstanden?«
    »Ja…«
    Kittys Laune wechselte von Wut zu Nachdenklichkeit, während Cal auf die Herrentoilette ging. »Wollt’ immer schon ein Mädchen, das Linda heißt. Hätt’ den Namen selber gern.
    Der Name gefällt mir, er hat so was Reines, Gutes.«
    Als ich ihre riesigen, glitzernden Ringe an ihren starkknochigen Händen sah, erschauerte ich wieder. Waren es echte Diamanten, Rubine, Smaragde – oder Fälschungen?
    Es war eine Erleichterung, wieder im Wagen zu sitzen und die Straße entlangzubrausen in Richtung meines unbekannten neuen Zuhauses. Das heißt, nur bis zu dem Augenblick, als Kitty Cal verkündete, daß sie meinen Namen ändern wollte.
    »Werd’ sie Linda nennen«, sagte sie kühl und sachlich. »Ich mag diesen Namen wirklich sehr.«
    »Nein!« fuhr er sie sofort an. »Heaven paßt am besten zu ihr.
    Sie hat ihr Zuhause und ihre Familie verloren; jetzt zwing sie um Gottes willen nicht, auch noch ihren Namen zu verlieren.
    Laß sie in Ruhe.«
    Er hatte es mit so großer Bestimmtheit gesagt, daß Kitty nicht zu widersprechen wagte und minutenlang schwieg. Dabei freute es mich besonders, daß Cal das Radio wieder angedreht hatte.
    Ich kuschelte mich in den Rücksitz und versuchte, wach zu bleiben, indem ich alle Straßenschilder las. Es war mir aufgefallen, daß Cal immer die Richtung einschlug, die auf den Schildern nach Atlanta wies. Durch Unterführungen, über Autobahnkreuzungen,

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