Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
öffnete die Tür weit, um den Mann eintreten zu lassen. Mit einer Hand strich er sich das Haar glatt und mit der anderen winkte er ihm, er solle ihm folgen. Er ging ins Schlafzimmer zurück, legte die Taschenlampe auf den Nachttisch und ließ sich auf die Matratze fallen. Arcieri blieb am Fußende des Bettes stehen und betrachtete Casini besorgt.
»Geht es Ihnen nicht gut?«
»Schickt man Sie eigentlich nie in Pension, Colonnello?«
»Man braucht mich noch. Sie sehen nicht gut aus, was ist los?«
»Ich bin nur ein wenig erschöpft, schließlich schwimme ich seit drei Tagen in dieser Dreckbrühe herum. Setzen Sie sich, Colonnello.«
»Nein, ich stehe lieber.«
»Wie Sie möchten.«
»Ich muss Sie um einen Gefallen bitten, Casini.«
»Na, ich habe schon geahnt, dass Sie nicht gekommen sind, um mit mir über die Überschwemmung zu plaudern.«
»Die Angelegenheit ist äußerst heikel.«
»Ich bin ganz Ohr, aber ehe ich irgendetwas unternehme, muss ich ein paar Stunden schlafen, sonst lande ich noch bei den Irren in San Salvi«, sagte Casini, während er seine Zigaretten suchte. Der Colonnello seufzte.
»Sie können besser mit den Faschisten umgehen als ich. Mir kommt sofort die Galle hoch.«
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Colonnello?«, fragte Casini mit einem Grinsen.
»Gott behüte.«
»Immer noch auf der Jagd nach Faschisten?« Während Casini seine Zigarette anzündete, ließ Arcieri einen Zettel auf das Bett fallen.
»Da ist so ein alter Gefolgsmann Mussolinis, vielleicht war er Chef des Geheimdienstes in der Republik von Salò.«
»Was meinen Sie mit vielleicht?«
»Wir können nicht gegen ihn vorgehen, denn es gibt keine Beweise. Aber wahrscheinlich weiß er Dinge, die mir nützen können. Ich muss eigentlich sofort mit ihm sprechen, aber er muss schon weichgeklopft sein …«
»Warum schicken Sie nicht einen Ihrer Agenten hin?«
»Nein, das ist eine persönliche Ermittlung. Außerdem habe ich keine Zeit, mir Männer aus Rom kommen zu lassen. Und vor allem traue ich niemandem.«
»Wie immer. Aber was genau soll ich eigentlich tun?«
»Statten Sie diesem Herrn einen kleinen Besuch ab. Finden Sie einen glaubwürdigen Vorwand, um ihn zu befragen, irgendetwas Unverdächtiges, eine Routinekontrolle, das überlasse ich Ihnen. Aber sorgen Sie dafür, dass er Angst bekommt.«
»Wie viel Angst?«, fragte Casini. Im Halbdunkel sah er, wie Arcieri die Lippen zu einem Grinsen verzog.
»Viel, so viel wie möglich. Lassen Sie sich irgendetwas einfallen. Aber machen Sie schnell, ich habe wenig Zeit.«
»Ist er ein Faschist von der üblen Sorte?«
»Ich dachte, für Sie gäbe es keine guten Faschisten, Casini.«
»Einige waren nur arme, unwissende Idioten …« Er nahm Arcieris Zettel in die Hand und las: Alfonso Gattacci, Via di San Domenico 71/A . Diesen Faschisten kannte er. Sogar persönlich. Und er mochte ihn überhaupt nicht.
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte er und blies den Rauch an die Zimmerdecke. Arcieri schnaubte unruhig.
»Die Angelegenheit ist äußerst dringend, Commissario.«
»Das denke ich mir.«
»Und ich sage Ihnen gar nicht erst, wie wichtig es mir ist, dass sie nicht …«
»Niemand wird davon erfahren«, unterbrach ihn Casini und rückte sich das Kissen hinter dem Kopf zurecht.
»Ich muss leider darauf beharren. Seien Sie bitte so freundlich, dorthin zu gehen … und zwar so bald wie möglich.«
»Natürlich. Aber jetzt, wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich ein wenig schlafen.«
»Ich meinte … jetzt gleich. Jede Minute ist kostbar«, beharrte Arcieri sichtlich besorgt.
Casini war dieser Zustand vertraut, er hatte sich tausend Mal genauso gefühlt. Auch kürzlich erst, wegen der Sache mit dem Jungen. Vielleicht sollte er dem besorgten Colonnello den Gefallen tun, auch wenn er nicht die geringste Lust dazu hatte. Er seufzte ergeben und stieg leise fluchend aus dem Bett. Dann nahm er seine Sachen vom Stuhl und zog sich an.
»Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich gerade große Lust auf eine kleine Unterredung mit einem Faschisten bekommen«, brummte er.
Endlich lächelte Arcieri für einen Moment. Er stand immer noch regungslos vor dem Bett, die Hände in den Manteltaschen vergraben. »Ich erwarte Ihren Anruf in der Präfektur, die Nummer steht auf dem Zettel. Ich werde die ganze Nacht über wach sein. Auf Wiedersehen, Casini.«
»Da werden Sie nicht der Einzige sein. Es sind noch tonnenweise Schlamm wegzukehren, und wer weiß, was wir darunter
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