Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
Unfall«, heulte Signorini. Der Kommissar lief mit den Händen in den Hosentaschen auf dem Teppich auf und ab, wobei er den jungen Mann im Auge behielt.
»Am besten erzählen Sie mir alles von Anfang an.«
»Ich brauche etwas Morphium«, sagte der junge Mann leise und mit zitterndem Kinn.
»Wenn Sie mir alles erzählt haben, können Sie sich so viel Morphium in die Venen jagen, wie Sie wollen.«
»Versprechen Sie mir das?«
»Sicher.«
»In Ordnung. Ich sage Ihnen alles … alles …«
»Ich höre.« Casini zündete sich eine Zigarette an und folgte mit den Augen einem Rauchkringel, der langsam zur Decke aufstieg. Signorini keuchte und musste offensichtlich seinen ganzen Mut zusammennehmen für das, was vor ihm lag. Er presste die Hände vor die Augen, die Stirn, fuhr sich durch die Haare. Und als er redete, begann er in einer fernen Vergangenheit … Sein Geständnis glich einer persönlichen Beichte, hier wollte jemand alles loswerden …
Italo Signorinis Mutter war gestorben, als er erst wenige Monate alt war, genau wie bei dem Helden des Romans, an dem er schrieb. Sein Vater hatte danach diverse Geliebte gehabt, aber nie mehr geheiratet. Italo hatte Panerai, Beccaroni und Sercambi im Sommer 1953 in Forte dei Marmi kennengelernt, damals war er noch nicht einmal vierzehn. Er hatte erst kurz zuvor die sündigen Freuden der Selbstbefriedigung entdeckt, und in diesen Momenten tauchten nur Männer in seinen Fantasien auf. Mädchen interessierten ihn nicht.
In den Ferien fuhr er mit seinem Vater nach Roma Imperiale in die Villa von dessen Eltern, die während der Sommermonate immer lange Reisen unternahmen. In jenem Sommer lernten sein Vater und er am Strand die drei Herren kennen, die seit der Mittelschule miteinander befreundet waren. Ein Metzger, ein Rechtsanwalt und ein Gymnasiallehrer für Italienisch. Panerai, Beccaroni und Sercambi waren damals etwas über dreißig, Italos Vater ein wenig älter.
Die drei Freunde wurden oft in die Villa eingeladen. Man aß gut zu Abend, spielte Billard, Poker und Tennis auf einem eigenen Platz. Mit Italos Vater bildeten sie ein gut eingespieltes Quartett. Italo hielt sich immer in ihrer Nähe auf, glücklich über die Gesellschaft, die die Laune seines sonst strengen und ernsten Vaters hob. Die drei neuen Freunde spielten oft mit dem Jungen, schlugen ihm auf die Schulter und strichen ihm über den Kopf.
Friedliche Tage, einer war schöner als der andere.
Eines Abends erzählte Italos Vater, dass er am nächsten Tag zu einer seiner Spinnereifabriken fahren müsse, weil es dort Schwierigkeiten gebe, und bat die neuen Freunde, seinem Sohn Gesellschaft zu leisten. Am nächsten Morgen brach er auf und ließ Italo am Strand bei ihnen zurück. Sie aßen in der Villa zu Mittag, dann gingen alle in den Billardsaal, und Panerai bot sich an, dem Jungen beizubringen, wie man »mit dem Stecken und den Kugeln« spielt. Er stellte sich hinter ihn, um ihm zu zeigen, wie das ging, raunte ihm Anweisungen ins Ohr und hielt seine Arme fest, damit er einen guten Stoß platzieren konnte. Die anderen beiden spielten am zweiten Tisch und beobachteten das Ganze lächelnd. Italo merkte, dass dieser Körperkontakt ihm ganz und gar nicht unangenehm war, im Gegenteil, er fühlte ein seltsames, leeres Ziehen in der Magengegend, wie damals als kleiner Junge, wenn er auf der Schaukel saß. Panerai lachte und glitt mit seiner Hand immer mal wieder unter Italos Badehose, um ihn zu kitzeln. Italo stellte sich ziemlich ungeschickt beim Billard an, und nach einer Weile schlug Panerai vor, sie könnten ein anderes, sehr lustiges Spiel spielen. Sie würden sich alle nackt ausziehen, und einer von ihnen sollte mit verbundenen Augen versuchen, sie nur durch Tasten zu erkennen. Alle waren damit einverstanden, auch Italo, der ganz aufgeregt war, weil er bei einem Erwachsenenspiel mitmachen durfte. Bevor sie begannen, sagte Panerai zu dem Jungen, dass er um nichts auf der Welt seinem Vater davon erzählen dürfe, was sie gleich tun würden, sonst würden sie nicht mehr seine Freunde sein. Italo schwor bei seinem Leben, dass sein Vater nie etwas erfahren würde. Er könne ein Geheimnis für sich behalten, er sei schließlich kein kleines Kind mehr. »Gut«, hatte Panerai gesagt, »sehr gut, so gefällst du mir. Du bist ein braver Junge, du verdienst unsere Freundschaft.«
Sie zogen sich alle nackt aus, zählten ab, und als Erster war er, Italo, dran. Sie verbanden ihm die Augen und traten einer nach dem anderen
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