Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in den Himmel hinauf. Dann überquerte er den Ponte alla Carraia und bog in den Borgo San Frediano ein. Auf der anderen Seite der Straße lehnte der alte Nappa an der Mauer und hustete, spuckte Teile seiner Lunge aus und fluchte mit dem Rest Luft, die ihm blieb. Casini hob nur ein wenig das Kinn, um ihn zu grüßen, und ging weiter. Auf dem Dach eines Fiat 500 kauerte ein riesiger roter Kater, der faul in die Dunkelheit starrte. Das erinnerte ihn an das Kätzchen mit dem schlimmen Auge. Ob es Rosa gelingen würde, es zu retten?
An einer Ecke der Piazza del Carmine diskutierten zwei betrunkene Männer über die wichtigen Themen des Lebens, während sie sich kaum noch aufrecht halten konnten. Casini drehte sich kurz, um von weitem das Haus zu betrachten, in dem vor knapp einem Jahr jemand einen Wucherer getötet hatte, indem er ihm eine Schere in den Hals gerammt hatte. Und in diesem Fall hatte sich Casini leicht in den Mörder hineinversetzen können …
Schließlich war er zu Hause. Dort stellte er sich unter die heiße Dusche und hatte den Eindruck, dass unter dem Wasserstrahl eine Tonne Traurigkeit von ihm abfiel. Er ging zu Bett und löschte das Licht. Obwohl er todmüde war, konnte er nicht schlafen. Wirre Erinnerungen fluteten sanft seinen Kopf und nahmen ihn mit sich auf eine nostalgische Reise in die Vergangenheit. Langsam erhob sich aus diesem ganzen Sumpf ein klares Bild, das wie ein Ungeheuer aus den ruhigen Wassern eines Sees auftauchte …
Eines Tages waren er und Molin gemeinsam in den Abruzzen auf Patrouille gegangen. Um sie herrschte Stille, die gleiche Stille wie in vielen anderen kleinen Dörfern, durch die sie nach dem Waffenstillstand gezogen waren, wenn sie hinter geschlossenen Fensterläden die misstrauischen Blicke der Frauen und der alten Leute spürten, die von allen genug hatten, egal ob Italiener, Amerikaner oder Deutsche, und sich nur noch wünschten, dass wer auch kam, möglichst schnell wieder verschwand.
Sie gingen zu Fuß bis nach Torricella Peligna hinauf, einem kleinen Weiler aus einigen Steinhäusern auf einem Gipfel gegenüber dem Majellamassiv. Molin kam aus dem Veneto und war ein riesiger Kerl, eigentlich herzensgut, aber sein Anblick konnte einem Angst einflößen. Sein breites, flaches Gesicht war alles andere als vertrauenerweckend. Wenn er einen Bauernhof betrat und nach einem Stück Speck und ein wenig Käse fragte, schrien die Frauen auf und versteckten sich eilig.
Es war Anfang Juni. Sie hatten gerade den Widerstand am Monte Cassino überwunden und einen hohen Preis dafür bezahlt; es hatte Zehntausende Tote gegeben. In dieser Höhe war die Luft frisch und kühl, doch der Aufstieg brachte ihr Blut in Wallung. Sie waren nassgeschwitzt und stanken. Der größte Teil der Wehrmacht stand nicht weit entfernt, und die Gassen zu beiden Seiten der Hauptstraße waren ein verworrenes Labyrinth, wie gemacht zum Versteckspielen. Mit schussbereitem Gewehr gingen sie langsam durch die menschenleeren Gassen vorwärts, schauten hinter jede Ecke und behielten die Fenster im Auge. Im Weiler schien alles ruhig zu sein, doch der äußere Schein trog meistens. Plötzlich flogen vier Stukas laut knatternd im Tiefflug über das Dorf. Casini und Molin drückten sich gegen eine Hauswand. Mit der Luftwaffe war nicht zu spaßen. Sie liefen erst weiter, als die Flugzeuge verschwunden waren, doch der plötzliche Lärm hatte sie nervös gemacht.
Sie gingen gerade durch ein verwinkeltes Sträßchen, als es plötzlich nach Essen roch. Beide wechselten einen vielsagenden Blick. Sie hatten Hunger. Nicht nur einfach Hunger. Es war dieser Wunsch, endlich etwas anderes auf der Zunge zu schmecken als Schiffszwieback und Dosenfleisch. Sie hätten eine Hand für eine gekochte Kartoffel oder ein Spiegelei gegeben und ein Auge für eine Bratwurst. Molin war der geborene Flucher. Von drei Worten, die aus seinem Mund kamen, waren zwei Schimpfwörter. Manchmal war es nicht leicht, ihm zu folgen, denn wenn er sich krampfhaft bemühte, die Flüche aus seinen Reden zu verbannen, verlor er den Faden. Und an diesem Tag regte er sich über den Hunger auf.
»Ich krieg diesen Dreck von den Alliierten nicht mehr runter, Heiliger Duce. Für eine Schweineschwarte würde ich sogar dieses alte Schwein Badoglio auf den Mund küssen! Und wenn ich eine Henne sehe, dann mach ich sie mit dem Maschinengewehr nieder, verfluchte Faschisten!« Casini gab ihm ein Zeichen, er solle
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