Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
verdreckt war. Ob arm oder reich, das machte keinen Unterschied. Die Reichen verhielten sich zynisch und gleichgültig, und die Armen beneideten sie und träumten davon, so wie sie zu werden, nein, noch schlimmer.
So in Gedanken versunken bog Casini in den Borgo Santi Apos toli ein, wo der Arno drei Meter hoch gestiegen war. Die Piazza del Limbo sah aus wie eine Mülldeponie.
In der Via Por Santa Maria sah er einige Verkehrspolizisten vor dem Ponte Vecchio stehen und näherte sich ihnen. Einer von ihnen hob eine Hand und sagte in Befehlston: »Hier können Sie nicht durch!«
»Was ist los?« Casini zeigte seinen Dienstausweis. Die Polizisten nahmen Haltung an.
»Zu Befehl, Commissario!«
»Stehen Sie doch bequem … Was macht ihr denn hier?«
»Wir stellen sicher, dass niemand dem Ponte Vecchio zu nahe kommt, wegen der Juwelierläden.«
»Am Golde hängt doch alles …«, zitierte Casini brummig und ging an ihnen vorbei. Er betrachtete flüchtig die Schmuckhändler, die auf der Suche nach verschwundenen Schätzen im Schlamm wühlten. Endlich mussten die sich auch mal die Hände schmutzig machen. Auf der anderen Seite des Flusses drehte er sich um, während er auf dem Lungarno Archibusieri weiterlief, und betrachtete den Ponte Vecchio, der ziemlich mitgenommen aussah. Die Juweliergeschäfte waren teilweise zerstört, und auf den Brückenbögen lagen dicke Schichten Gestrüpp und sogar ein ganzer Baum.
Casini ging unter den Arkaden der Uffizien hindurch. Allmählich hatte er den Bogen raus, wie man am geschicktesten über den rutschigen Matsch lief. Als er die Ecke Via della Ninna erreichte, schaute er kurz zur Piazza della Signoria hinüber, die von einer dicken Schlammschicht überzogen war. In der Mitte des Platzes hatte sich ein Häuflein Menschen um einen Tankwagen geschart. Die Leute warteten geduldig, dass sie an die Reihe kamen, ihre mitgebrachten Flaschen und Plastikkanister zu füllen.
Casini lief am Palazzo Vecchio entlang; ganz hinten in der Straße stand das Wasser noch einen halben Meter hoch. Er bog in die Via dei Neri ab, wo er auf den Bürgersteig wechselte, um nicht zu tief durchs Wasser waten zu müssen. Müde Gesichter schauten aus den Fenstern und beobachteten ihn. Männer und Frauen in Gummistiefeln liefen durch den Schlamm. Casini kam ein hagerer Mann entgegen, der ihm bitter zulächelte.
»Verfluchter Arno … verdammt noch mal … Warum hat der bloß meinen Wagen mitgenommen und nicht meine Alte?«, brummte er kopfschüttelnd. Ein Stück weiter glitt ein Holzkahn, der Kinder und alte Leute transportierte, durch die schlammige Brühe.
Schließlich stand Casini vor Rosas Haustür, auch diese hatte die Flut eingedrückt. Er ging hinein und stieg die dunkle Treppe hinauf, wobei er sich mit der Taschenlampe den Weg leuchtete. Hinter einer Wohnungstür hörte er jemanden streiten und ein quengelndes Kind. Mit müden Beinen erreichte er den obersten Stock und klopfte bei Rosa. Keine Antwort. Er klopfte lauter. Endlich hörte er, wie sich klappernde Absätze näherten.
»Wer ist da?«
»Rosa, ich bin’s«, sagte Casini. Daraufhin öffnete sich die Tür, und Rosa erschien in ihrem scharlachroten Kaschmirmantel, mit dem Kätzchen auf dem Arm. Ihrem bleichen Gesicht war anzusehen, dass sie nicht geschlafen hatte, aber sie hatte natürlich daran gedacht, sich zu schminken.
»Schatz … ich hatte ja solche Angst«, sagte sie mit Tränen in den Augen und ließ den Kopf gegen seine Brust sinken.
»Das war zwar nicht die Sintflut, aber viel fehlte nicht mehr«, flüsterte Casini und strich ihr über die blonden Locken. Krümelchen zwischen ihnen krallte sich in ihren beiden Mänteln fest. Rosa zog die Nase hoch.
»Gestern am frühen Morgen … bin ich rausgegangen, wollte mir den Arno anschauen. Auf dem Corso de’ Tintori habe ich einen Mann gesehen, der rannte … das Wasser war hinter ihm her. Ich bin nach Hause gelaufen … habe versucht, dich anzurufen, aber du hast nicht abgenommen.«
»Ich hatte hohes Fieber und habe den Stecker rausgezogen.«
»Vom Balkon aus habe ich alles gesehen. Das Wasser stieg und stieg … es floss immer schneller. Autos prallten gegen die Hauswände wie Bomben … Ich habe auch Tote vorbeitreiben sehen … O Gott, wie schrecklich, wie schrecklich …«
»Das Schlimmste ist vorbei.«
»Gott, du stinkst vielleicht«, sagte Rosa und hob angewidert den Kopf.
»Heute Nacht habe ich stark geschwitzt und konnte mich danach nicht waschen«, verteidigte sich
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