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Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman

Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman

Titel: Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Worten schilderte er dem Sarden, was Amelia ihm gesagt hatte. Er fühlte sich erleichtert. Auch wenn er einen Moment lang der Versuchung nachgegeben hatte, konnte er immer noch nicht so recht an die Weissagungen von Tarotkarten glauben.
    »Hoffen wir, dass in La Panca etwas herauskommt«, sagte er, ohne wirklich daran zu glauben. Genau in diesem Augenblick klopfte es an der Tür. Es war Rinaldi mit den ersten Ergebnissen. Die Waldwege waren sorgfältig untersucht worden: Wenn man mit dem Auto nach Monte Scalari gelangen wollte, musste man auf jeden Fall über La Panca fahren. Auf den anderen Wegen gab es große Gesteinsbrocken, tiefe Löcher, zu scharfe Kurven und andere Hindernisse, so dass man selbst mit einem Jeep aus dem Krieg Schwierigkeiten hätte durchzukommen.
    »Und sonst?«
    »Nichts Neues, Dottore«, sagte Rinaldi so betrübt, als ob es seine Schuld wäre.
    »Du kannst gehen, danke.« Der Kommissar seufzte. Rinaldi salutierte zum Abschied. Es wurde schon Abend, und von draußen hörte man wieder das Rauschen eines Platzregens.
    »Und was zum Henker sollen wir jetzt tun?« Casini zog sich nervös am Ohrläppchen.
    Am nächsten Morgen verließ Casini das Haus vor acht Uhr, um nach La Panca zu fahren. Er hatte das dringende Bedürfnis, noch einmal dorthin zurückzukehren, selbst wenn er sicher war, dass es nichts bringen würde. Er ertrug es nicht, untätig hinter einem Schreibtisch zu sitzen und die Wand anzustarren, diese Ohnmacht lastete auf ihm wie eine große Schuld.
    Der Kommissar machte an der Porta Romana Halt, um sich eine Ausgabe von »La Nazione« zu kaufen.
    MISSBRAUCHT UND ERWÜRGT
    Kleiner Giacomo tot aufgefunden
    Er warf die Zeitung auf den Beifahrersitz, fuhr weiter und ging in Gedanken noch einmal die Protokolle der Streifenbeamten durch, die die Einwohner von La Panca, Cintoia Alto und Monte Scalari befragt hatten. Sie lauteten alle in etwa gleich: Keiner hatte etwas Auffälliges bemerkt. Außerdem gab es oben auf dem Hügel mehrere bewohnte Häuser, darunter auch die Abtei, und die Wälder dieser Gegend wurden auch gern von Jägern und Pilzsammlern aufgesucht. Es war daher völlig normal, dass man zu jeder Tages- und Nachtzeit Autos vorbeifahren hörte, keiner achtete mehr darauf. Die einzig neuen Informationen kamen von Diotivede, und die waren im Moment nutzlos.
    Als er in La Panca ankam, war seine Stimmung im Keller. Während er mit dem Auto den Weg hinauffuhr, bemerkte er, dass er keine Zigaretten mehr hatte, und knurrte mit zusammengebissenen Zähnen einen Fluch. Nach einigen Kurven parkte er den Käfer an derselben breiten Stelle wie am Vortag. Er öffnete das Handschuhfach, um nachzusehen, ob dort nicht zufällig noch eine Zigarette läge, aber er fand bloß eine kleine Dose Tabù, und als er mit dem Finger draufklopfte, fielen ihm noch ein paar Krümelchen Lakritzbonbon in den Mund.
    Er zog wieder seine festen Schuhe an und machte sich langsam auf den Weg zum Fundort der Leiche, wobei ihm völlig bewusst war, dass er dabei nur seine Zeit verschwendete. Vom regennassen Boden stieg ein penetranter Modergeruch auf, und ein feuchter Windhauch strich ihm über das Gesicht. In der Stille des Waldes hörte man nichts als das Zwitschern der Vögel, das Geräusch seiner Schritte und ab und zu weit entfernt einen Schuss. Hoch oben zeichneten sich die Äste der Bäume vor einem verwaschenen, bleichen Himmel ab, und die Sonne malte Lichtflecke auf den Teppich aus moderndem Laub.
    Keuchend ging er vorwärts und stellte sich vor, dass jeden Moment hinter einem Baumstamm ein Deutscher hervorspringen und auf ihn schießen könnte. Das war ihm in den Wäldern der Abruzzen tatsächlich passiert, als er nordwärts durch Italien zog, um die Nazis in den Hintern zu treten. Und als er wieder in den Kampf zog, hatte er in den Schaft seines Gewehrs die elfte Kerbe geschnitzt. Da wusste er noch nicht, dass er in den folgenden Monaten weitere sechzehn anbringen würde. Er bereute nicht, dass er getötet hatte, in diesen Momenten konnte er gar nicht anders handeln. Aber es waren dennoch keine angenehmen Erinnerungen. Da kam ihm in den Sinn, wie traurig ein Kamerad von der Legion San Marco gewesen war, der es sich nicht verzeihen konnte, grundlos einen Nazi umgebracht zu haben. Bei einem recht heftigen Feuergefecht hatte er diesen großen Deutschen bemerkt, der auf ihn zukam, und instinktiv hatte er ihn mit einer Salve niedergemäht. Einen Moment später erkannte er, dass er gerade einen verwundeten Mann

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