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Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman

Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman

Titel: Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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durchlöchert hatte. Das ließ ihm keine Ruhe mehr, als ob er einen Unschuldigen getötet hätte …
    Schon aus der Ferne erkannte Casini die Mulde, in der der Junge verscharrt worden war, und er presste die Zähne zusammen. Er erreichte den Fundort und blieb vor der umgegrabenen Erde stehen. Er hatte noch den nackten kleinen Fuß vor Augen, der aus dem Erdreich ragte, die schlammverkrustete Leiche, die Würmer, die sich in den leeren Augenhöhlen wanden. Etwas weiter weg hörte er einen Baumstamm im Wind knarren, und in diesem Moment kam es ihm wie das traurigste Geräusch auf der ganzen Welt vor. Casini machte sich daran, den Boden abzusuchen, und schob mit den Füßen das Laub beiseite, um doch noch irgendetwas zu finden. Er sah allerdings nur die üblichen Patronenhülsen und einige kümmerliche Pilze. Hier vergeudete er nur nutzlos seine Zeit, aber was konnte er sonst tun? Sich in seinem Büro den Hintern platt sitzen?
    Er entfernte sich in immer größeren Kreisen von der Mulde und untersuchte aufmerksam jede Handbreit Boden. Trotz allem hoffte er immer noch. Es war eine vollkommen unlogische Illusion, aber ihm blieb nichts anderes. Im Grunde verlangte er doch nicht viel, verflucht noch mal. Ein Knopf, eine Zigarettenkippe, ein abgebranntes Streichholz würde ihm schon genügen …
    Nach einer Stunde hörte er auf, rund um die Mulde seine Bahnen zu ziehen, und drang weiter in den Wald vor. Seine Hoffnung war verflogen, und seine Suche war zu einer einsamen Wanderung geworden. Er wollte nur noch ein wenig die friedliche Stille genießen. Während er vorwärtslief, nahmen seine Augen die Schönheit in sich auf. Er hatte nicht einmal mehr das Verlangen nach einer Zigarette. Im Wald fühlte er sich wohl. Das war ihm erst während des Pilzesammelns mit Botta klar geworden. Er sollte öfter mal eine Wanderung in die Hügel machen. Das schönste Gefühl dabei war, wie die Gedanken ungewohnte Wege beschritten oder man sogar ganz aufhörte zu denken. Er sah, wie zwischen den dunklen Baumstämmen ein dicker Hase blitzschnell auftauchte und ins dichte Unterholz flüchtete. Für den Moment war das Tier gerettet, aber bald würde ein Jäger es erschießen und es würde im Kochtopf enden, damit man aus ihm ein leckeres Nudelgericht mit Pappardelle zaubern konnte.
    Er lief weiter, atmete tief durch und verlor sich in Erinnerungen. Hin und wieder hörte er einen Schuss aus dem fernen Tal. Als er den Abhang hinunterlief, traf er auf einmal wieder auf den Waldweg. Er war sich ziemlich sicher, dass er zurück zu seinem Auto kam, wenn er dem Pfad nach rechts folgte, daher wählte er die entgegengesetzte Richtung. Die erdverkrusteten Schuhe erinnerten ihn an die Märsche, als er mit der Legion San Marco unterwegs war, an die schmerzenden Blasen von damals und an den Schweiß, der die Uniform durchtränkte. Er hatte das Gefühl, er könnte noch die deftigen Flüche von Mosti hören, einem Mann wie ein Kleiderschrank aus Massa, der die ganze Marschiererei hasste. Wenn Casini ihn dann erinnerte, dass er ohne den Krieg noch im Gefängnis schmoren würde, grinste der Riese nur.
    Er kam zu einer kleinen Kapelle, die an einer Weggabelung errichtet worden war. Das musste die Abzweigung sein, von der der Jäger gesprochen hatte: Links ging es nach Poggio alla Croce, rechts nach Pian d’Albero. Er entschied sich für rechts und lief langsam weiter, den Kopf voll weit zurückliegender Erinnerungen. Ein leichter Wind fuhr durch die Zweige und ließ sie hin und her wogen, dass die Blätter herunterfielen, und erfüllte die Luft mit einem friedvollen Geruch nach Tod. Hin und wieder zweigte jetzt ein kleiner Pfad ab, der sich zwischen den Bäumen verlor.
    Auf dem Hügel vor ihm konnte er hinter dem dichten Pflanzenwuchs ein verlassenes Haus mit zerbrochenen Fensterläden und halb eingestürztem Dach erkennen. Im Chianti-Gebiet gab es inzwischen immer mehr davon. Das Grauen vor dem Landleben trieb die jungen Leute in die Stadt, wo sie nach einem weniger mühevollen und abwechslungsreicheren Dasein suchten.
    Plötzlich fand er sich auf einem steilen Pfad, auf dem in unregelmäßigen Abständen große Gesteinsbrocken lagen. Der Jäger hatte recht: Wenn man hier mit einem Auto entlangfuhr, würde es einem die Ölwanne abreißen. Rechts von ihm öffnete sich auf einmal die Aussicht auf ein weites Tal, und er blieb stehen, um sie zu bewundern. Wolken türmten sich über der dunklen Silhouette der Hügel wie ein Wall auf und bedeckten den Himmel.

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