Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman
hinkte Piras wirklich mit jedem Tag weniger?
Casini lief weiter im Zimmer auf und ab, die Hände in den Hosentaschen, doch er wusste schon genau, was er tun würde. Er musste dort rein, musste sehen, was sich hinter der Tür in der Via Luna verbarg. Ein Lager? Ein Depot? Oder vielleicht ein Schlachthaus? Wo man Frauen oder kleine Jungen hinbrachte? Verdammt, er war wie immer zu voreilig. Er durfte nicht vergessen, dass sein einziges Indiz eine Telefonrechnung war, die er im Wald gefunden hatte. Und die war nicht einmal ein Indiz, nur eine äußerst zerbrechliche und irrationale Hoffnung, dass der reine Zufall ihn auf die richtige Spur geführt hatte. Richter Ginzillo brauchte er deswegen gar nicht erst um einen Durchsuchungsbefehl bitten, der hätte über seinen Wunsch nur hysterisch gekichert, wie eine alte Tante, die ihr letztes Stück Torte verteidigt.
Sobald es dunkel wurde, verließ er das Präsidium. Er fuhr direkt in die Via Gioberti, parkte den Käfer, nahm eine Taschenlampe mit und ging durch den Bogen in die Via Luna. Hinter den Fenstern war niemand zu sehen, und die Gasse war menschenleer. Als er in die erste Seitengasse links einbog, befand er sich schon auf dem Wendeplatz. Casini lief bis zur Tür und hoffte, dass er sie auch aufbekäme. Botta hatte ihn zwar in die hohe Kunst des Schlösserknackens eingeführt, doch seine Fähigkeiten hatten nie das Niveau seines Lehrers erreicht. Er schaltete die Taschenlampe an, um sich das Schloss anzusehen, und biss sich auf die Lippe. Es war eins von den schwierigen, die Botta als »Nervensägen« bezeichnete. Er sah sich prüfend um, ob niemand kam, und versuchte es trotzdem. Das Welldach bot ihm Sichtschutz. Er hantierte einige Minuten ergebnislos mit seinem Wunderwerkzeug, doch dann musste er aufgeben. Diese Tür würde er nur mit Dynamit aufbekommen. Hier brauchte er Botta. Nicht zum ersten Mal musste er ihn bemühen. Schnell lief er zum Wagen zurück und machte sich Richtung San Frediano auf. Ennio hatte kein Telefon, deshalb musste er ihn persönlich in der Souterrainwohnung aufsuchen, in der er lebte.
Er erreichte die Via del Campuccio. Das Fenster zur Straße war dunkel. Trotzdem beugte sich Casini hinunter und klopfte an die Scheibe in der Hoffung, Botta schliefe. Er klopfte stärker und rief nach ihm. Nichts. Die Haustür schloss nicht ganz. Er drückte sie auf, lief die Treppe hinunter und klopfte an die Wohnungstür. Stille.
Casini riss ein Blatt aus seinem Notizbuch und schrieb darauf: »Ruf mich an, egal wie spät, es ist sehr dringend.« Er musste die Nachricht nicht unterschreiben, Ennio kannte seine Schrift. Er schob den Zettel unter der Tür hindurch und ging. Jetzt konnte er nur warten.
Es war erst halb sieben, und Casini fuhr ins Präsidium zurück. Erschöpft ließ er sich auf seinen Stuhl fallen. Er behielt das Telefon im Auge, als erwarte er den Anruf einer schönen Frau. Er brannte darauf, in die Via Luna zu gehen und diese Tür zu öffnen. Vielleicht würde er dahinter irgendein Zeichen, ein konkretes Indiz finden, mit dem er weitere Ermittlungen aufnehmen konnte, oder sogar den Beweis, den er suchte. Aber vielleicht würde auch nichts dabei herauskommen, außer dass er diesen armen Metzger endlich in Ruhe ließ, der den Duce anbetete.
Um Viertel nach acht hatte sich Botta immer noch nicht gemeldet. War er etwa wegen einer seiner »geschäftlichen Angelegenheiten« verhaftet worden? Casini rief im Gefängnis Le Murate an und nannte seinen Namen, aber dort sagte man ihm, unter den Neueingängen gäbe es weder einen Bottarini noch einen Botta.
Er fuhr noch einmal zu Bottas Wohnung, wo immer noch alles dunkel war. Der Mond wurde von einer dichten Wolkendecke geradezu erdrückt, und es konnte jeden Augenblick zu regnen beginnen.
Entmutigt und besorgt fuhr Casini nach Hause. Vielleicht gab es keinen Anlass für eine solche Eile, aber er hatte sich nun mal in den Kopf gesetzt, diese Tür zu öffnen, und das so schnell wie möglich. Er musste versuchen, sich zu entspannen. Also ging er in die Küche, um sich ein paar Spaghetti zu kochen. Er hatte nicht einmal eine Dose geschälte Tomaten im Haus, deshalb gab er nur Öl, Pfeffer und geriebenen Pecorinokäse hinzu. Er brachte den Teller ins Wohnzimmer und schaltete wie üblich den Fernseher ein. Mittwochs brachten sie immer einen Spielfilm, der gerade angefangen haben musste. Ein alter amerikanischer Schinken, genau das Richtige für ihn, um sich abzulenken. Er machte es sich auf dem Sofa
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