Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman
Funkraum an. Man gab ihm Piras, der erst vor kurzem seine Schicht beendet hatte.
»Es gibt Neuigkeiten, Commissario.«
»Nicht am Telefon, komm rauf.« Casini legte auf und zündete sich die erste Zigarette des Tages an. Er rauchte sie am offenen Fenster und genoss sie, wie schon seit Jahren keine mehr. Man musste wohl lange auf etwas warten, wenn man wieder Vergnügen daran empfinden wollte.
Piras kam kurz darauf. Er verlor kein Wort über den Rauch, wedelte allerdings betont mit der Hand vorm Gesicht herum. Er sah müde aus; seine Augen lagen tief in den Höhlen. Er setzte sich und begann sofort zu erzählen: Der Metzger hatte um neun Uhr zwanzig in seinem Flavia mit Frau und Tochter das Haus verlassen. Sie waren in Le Cure vorbeigefahren, um Panerais Mutter abzuholen, und an der Piazza della Libertà hatten sie neben einem hellblauen Fiat 1500 gehalten, in dem ein altes Paar saß, vermutlich seine Schwiegereltern. Die beiden Wagen waren hintereinanderher zum Friedhof von Trespiano gefahren. Nach einer knappen Stunde waren sie in die Stadt zurückgekehrt und hatten den Friedhof der Gemeinde San Felice a Ema besucht. Um Viertel vor eins hatten beide Fahrzeuge vor Panerais Haus geparkt, und alle waren hineingegangen. Einige Minuten danach hatte der Metzger das Haus wieder verlassen, allein, und hatte den Fiat 850 genommen. Er war bis ans Ende des Viale Righi gefahren und dann in die Via Lungo l’Affrico abgebogen, wie an dem Tag, als ihn der Polizeiwagen verloren hatte. Doch diesmal blieben sie an ihm dran: Piazza Alberti, Via Gioberti, Via Cimabue, Via Giotto … und zum Schluss die Via Luna, eine schmale, kleine Einbahnstraße. Piras war schnell ausgestiegen und ihm zu Fuß gefolgt, weil er fürchtete, ein Auto könnte den Verdacht des Metzgers erregen. Nach zwei Kurven war Panerais Fiat nach rechts in eine noch engere Gasse abgebogen. Piras war an der Ecke stehen geblieben und hatte nur noch gelauscht. Er hatte gehört, wie der Motor des Fiats abgestellt wurde, sich die Wagentür öffnete und wieder schloss und dann eine Haustür auf- und zuging. Da war er um die Ecke herumgegangen und hatte gesehen, dass die Gasse kurz dahinter in einem Wendeplatz endete. Die Gasse auf der entgegengesetzten Seite lief ebenfalls in einem kleinen Platz aus. Rundum standen Sozialbauten mit heruntergekommenen Fassaden. Folgte man der Via Luna weiter, durchquerte man einen Bogen und kam auf der Via Gioberti heraus.
»Diese kleine Straße kenne ich genau«, sagte Casini und erinnerte sich an eine frühere Freundin, die in der Nähe gewohnt hatte. Er warf die Kippe auf die Straße, schloss das Fenster halb und lief auf und ab, während der Sarde weitererzählte.
Piras war zum Wagen zurückgekehrt und hatte Rinaldi gesagt, er solle um den Block herum in die Via Gioberti fahren. Sie hatten fünfzig Meter vor dem Bogen aus der Via Luna geparkt. Diese Gasse war eine Einbahnstraße, also musste Panerai dort herauskommen. Nach etwa zwanzig Minuten war dessen 850 endlich in die Via Gioberti eingebogen, und sie waren dem Metzger bis zu seiner Wohnung gefolgt. Piras hatte einen zweiten Wagen angefordert. Er selbst war mit Rinaldi in die Via Luna zurückgefahren. An dem Wendeplatz, auf dem Panerai geparkt hatte, gab es nichts außer zwei geschlossenen Rollgittern und einer alten Haustür aus dunklem Holz, keine Klingel, kein Namensschild. Keine Fenster. Keinen Wagen. Den Himmel konnte man hier auch nicht sehen, da der Wendeplatz zu mindestens zwei Dritteln mit Wellplatten aus Kunststoff überdacht war, die so verdreckt waren wie ein Hühnerstall. Wahrscheinlich hatte ein Mechaniker oder ein anderer Handwerker sie angebracht, damit er auch bei Regen im Freien arbeiten konnte.
»Das ist alles«, schloss Piras.
»Jetzt haben wir wenigstens etwas in der Hand. Ich möchte so schnell wie möglich wissen, auf wen die Immobilie eingetragen ist, vielleicht kommt ja etwas Nützliches dabei heraus. Wir müssen alles versuchen. Geh selbst zum Katasteramt und zum Grundbuchamt, sobald in den Behörden wieder gearbeitet wird. Ich bitte dich darum, weil die Angelegenheit nicht so einfach ist.«
»Wenn sie morgen einen Brückentag haben, öffnen sie erst Montag wieder.
»Den machen die bestimmt …«
»Also hilft es gar nicht, wenn wir uns beeilen.«
»Geh nach Hause und ruh dich aus, Piras. Du siehst aus wie ein Gespenst …«
»Danke, Commissario.« Der Sarde stand auf. Er salutierte lässig und verließ den Raum. Kam es Casini nur so vor, oder
Weitere Kostenlose Bücher