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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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nicht tröstend, aber auch nicht abfällig. Es war einfach etwas, das gesagt werden musste, also sagte er es.
    Ich schniefte. »Ich geh lieber mal wieder rein. Du hast doch nicht nach mir gesucht, oder?«
    »Nee, Mann. Der ist im Wintergarten.« Der coole Zungenschlag war wieder da.
    »Wer?«
    »Was weiß ich denn?«, sagte er scharf. »Irgend ’n Typ.«
    Für einen Moment waren wir vertraut gewesen, doch nun war er vorüber, über alle Berge und aufs Meer hinaus.

9
    Nun wusste ich wenigstens, wo ich suchen musste, wenn auch noch immer nicht, wen. Es wurde kurioser und kurioser. In den Wintergarten ging nie jemand. Er wurde gemieden, als ob es dort spukte, und das war beim Umbau eindeutig nicht eingeplant.
    Geplant war, die bestehende Veranda zu verglasen, damit die Gäste dort die Natur genießen konnten, ohne in ihr zu ertrinken. So weit jedenfalls die Theorie. Rundherum standen Korbmöbel und niedrige Regale mit alten
Nancy Drew
-Ausgaben, und es gab ein antikes Monopoly-Spiel mit einem Schuh und einer Kanone aus echtem Silber als Spielfiguren.
    Leider hatten wir vergessen zu isolieren, und so dauerte es nicht lange, bis sich überall Schwamm und Schimmel bildeten.An der Decke sprossen schwarze Flecken, die aussahen wie Melanome, Bananenschnecken drangen durch wer weiß welche Ritzen herein, und der Gestank war grausam, wie von halb verwesten Fischeingeweiden. Kein Wunder, dass die Gäste sich dort nur so lange aufhielten, bis sie ihre Watstiefel ausgezogen oder ihren Katzenwels ausgenommen hatten.
    Wer konnte im Wintergarten auf mich warten?
    Ich schlich mich bis zur Türschwelle und spähte hinaus. Ich sah nur einen lässig über die Schulter geworfenen Rucksack und einen kastanienbraunen Schopf, und ich wusste Bescheid.
    Oh nein, nicht er
. Furcht breitete sich in mir aus wie Schimmel. Der gute Brad hatte mich zu Recht auf meine Haare hingewiesen.
    Der Junge im Wintergarten war Keith Spady, mein Versuchspartner in Chemie mit der unverkennbaren Frisur. Er trug als Einziger in der Stadt einen Fake-Iro und der stand ihm gut.
    Zaudernd lugte ich um die Ecke und beobachtete ihn. Er studierte beiläufig ein vergilbtes Schwarz-Weiß-Foto, so als wäre er auf einer Vernissage. Seine derbe olivgrüne Army-Jacke war durchnässt und seine Doc Martens dreckverkrustet.
    Ich hätte nicht gedacht, dass ich nach dem heutigen Morgen noch etwas aufregend finden könnte, doch der Anblick von Keith Spady im Wintergarten ließ mich am ganzen Körper erschauern. Und es war ein schönes Gefühl. Er trotztedem Gestank, um mich zu sehen. In meinen Augen war er damit ein Held.
    Vor einer Weile hatte ich mal überlegt, ob ich nur deshalb in ihn verliebt war, weil er der einzige coole Typ in der Stadt war, oder ob ich es in Portland auch gewesen wäre, wo es von Jungs wie ihm, die
The Clash
und die
Ramones
hörten und Kurt Cobain verehrten, nur so wimmelte. Ich kam zu dem Schluss, dass ich ihn immer noch toll gefunden hätte, weil er a) sich nicht dafür schämte, dass er was im Kopf hatte – in Naturwissenschaften und Mathe war er ein Ass –, und b) so wahnsinnig verlockende Brusthaare hatte. Sie kräuselten sich über seine T-Shirts und Karohemden, die an ihm eher nach Grunge als nach Landei aussahen. Immer wenn mein Blick auf seine Brusthaare fiel, wollte ich sie kraulen und ihn an mich ziehen.
    Er sah auf und entdeckte mich. »Oh, hi«, sagte er.
    »Hi.« Wie peinlich, er hatte mich dabei erwischt, wie ich ihn heimlich anhimmelte. Ich fing mich halbwegs wieder. »Monsterkeks?«, fragte ich, das Tablett noch in der Hand.
    Er schüttelte den Kopf. »Keine Zeit. Ich hab nur gehört, was heute Morgen passiert ist. Die hier sind für dich.«
    Er gab mir einen Strauß lila Blumen. Lupinen. Die gleichen wie in Karens Sandkuchen.
    »Oh Mann«, sagte er und wies auf meine Schürzentasche, aus der genau die gleichen Blumen hervorschauten.
    »Schon okay«, sagte ich. »Davon hat man nie zu viel.« Ich stellte das Tablett ab und nahm ihm den Strauß ausder Hand. »Danke. Ich dachte, die blühen jetzt noch gar nicht.«
    Keith zuckte mit den Schultern. »Man muss nur wissen, wo sie stehen.«
    Noch ein Entdecker. Wie Karen.
    Nein. Nicht wie Karen. Trotzdem fragte ich mich, ob er durch irgendeine seltsame Fügung hier war, weil ich es verdiente nach dem, was ich heute durchmachen musste. Vielleicht war Keith meine Belohnung fürs Durchhalten.
    Ich hielt mir die Blumen an die Nase.
    »Die riechen nicht«, sagte er.
    Doch. Sie dufteten frisch, nach

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