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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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Geschmack, sondern die Dekoration, Karens Spezialität. Dreckfarbene Glasur und Gummiwürmer sind genau das, was den Plätzchen fehlt
.
    Genial, sagt Gretchen und holt die Kuvertüre heraus
.

    Ich schaute wohl ein wenig zu lange auf die weingummitriefenden Monsterkekse, denn Gloria Inez machte Nägel mit Köpfen. »Bitte. Nimm dir welche mit. Vielleicht möchte dein Vater ja auch einen?« Sie vergötterte Dad geradezu dafür, dass er ihr aus den Schwierigkeiten mit der Einwanderungsbehörde herausgeholfen hatte.
    Ich nahm eine Platte aus dem Schrank und hob drei Plätzchen darauf, ganz vorsichtig, damit sie nicht zerbrachen. Gretchen musste sie gebacken haben, nachdem sie von Karens Tod erfahren hatte. Die Gummiwürmer hingen so weit über den Rand, dass sie bei jeder Bewegung hin und her baumelten wie echte Regenwürmer. Eine perfekte Hommage.
    Da ich noch immer nicht herausgefunden hatte, wer mich besuchen wollte, und sonst niemand da war, ging ich zu dem
Kumbaya
-Typen. »Monsterkeks gefällig?«, fragte ich ihn.
    »Danke. Später vielleicht«, sagte er und zupfte weiter. Der hatte also nicht auf mich gewartet. Wer dann?
    Ich sah hinaus auf die vordere Veranda. Der böse Brad hockte über Karens Sandkuchen. Und untersuchte sie.
    Mit dem Tablett auf der Schulter ging ich nach draußen. Der böse Brad richtete sich auf.
    Ich weiß nicht, warum er für mich der böse Brad war. Fast alles an ihm war genauso wie beim guten Brad – er trug das gleiche Tuch um den Hals, hatte wie er eine Stachelfrisurund einen Sonnenbrand auf der Nase und war genau wie er arbeitslos. Doch während der gute Brad nichts dagegen hatte, sich zu uns in die Küche zu gesellen und dabei zuzusehen, wie Gretchen und ich uns gegenseitig Rosinen in den Mund warfen – manchmal sogar mitmachte und uns mit einem Glas Granatapfel-Limo zeigte, wie man Quartern spielt (»Alter, wenn ihr am College seid, werdet ihr mir noch dankbar sein«) –, kam der böse Brad nur zum Futtern von der Piste wieder und verdrückte sich anschließend auf ein Bierchen in die
Astro-Lounge
. Diejenigen von uns, die keinen Alkohol tranken, strafte er mit Verachtung.
    Als ich auf die Veranda trat, würdigte er mich kaum eines Blickes. »Hi, Mann«, sagte er und kratzte sich, auf die Sandkuchen schauend, am Kinn. Ich sah ihm über die Schulter. Wieso interessierte er sich dafür?
    »Monsterkeks?«, fragte ich.
    Er nahm sich einen und biss geistesabwesend hinein. Krümel fielen überall auf Karens Vulkane.
    »Alter«, sagte ich, »würd’s dir was ausmachen, die Beweismittel nicht vollzukrümeln?«
    »Das sind keine Beweismittel«, entgegnete er leise, ganz ohne den gewohnt coolen Zungenschlag.
    »Woher willst du das denn wissen?«
    Seine Augen weiteten sich und wurden dann schmal. Es war nur ein kurzer Moment, aber ich meinte, sein Gesicht deuten zu können: Er hatte sich irgendwie verraten. Wie, wusste ich noch nicht und er verriet sich auch kein zweites Mal.
    Er schwieg und guckte böse.
Geht dich gar nichts an, woher ich das weiß und wieso es mich interessiert
.
    Ich guckte böse zurück. »Gut, wenn das keine Beweismittel sind, was ist es denn dann?«
    Er sah mich verständnislos an, als wäre ich ein Primat – interessant, aber kein richtiger Mensch. »Ein Geschenk«, sagte er.
    Und da konnte ich nicht mehr. Natürlich war es das. Ein
letztes
Geschenk.
    Mir wurde wieder kotzübel. Auf jeden Fall würde ich gleich losheulen und das wollte ich nicht. Nicht vor ihm. Der war bestimmt kein Tröster, einer, der einem Gebäck aufdrängte oder verletzte Wildtiere bei sich aufnahm, nicht mal ein Trostküsser.
    Doch ich hatte auch ihn unterschätzt. »Warte mal«, sagte er und legte mir die Hand auf den Arm.
    »Ich muss rein.« Ich versuchte, mich loszumachen.
    Er drehte mich zu sich herum. Ich konnte ihm nicht ins Gesicht sehen. Mit tränennassen Augen musste ich dastehen und ich dachte:
Das ist so unfair. Lass mich in Ruhe
. Er bückte sich über Karens Kunstwerk und zog die Blüten heraus. »Der Sand hält sich nicht, aber die hier solltest du in ein Buch legen und pressen.« Er steckte sie mir in die Schürzentasche. »Ich weiß, das ist jetzt schwer, Ronnie, aber später wirst du froh sein.«
    Und von so einem überheblichen Mistkerl war das eine so nette Geste, dass ich wieder zu weinen anfing.
    Er zog sich den Ärmel seiner Skijacke übers Handgelenkund trocknete mir damit das Gesicht. »Danke«, sagte ich. »Ich bezahl die Reinigung.«
    »Nicht nötig.« Er sagte es

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