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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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Nase gesetzt.
    »Wehe, du hilfst mir nachher nicht aufräumen, Ronnie«, sagte sie, noch immer verärgert.
    »Klar, mach ich.« Aufräumen fand ich nicht schlimm. Ich räumte ständig auf, nur nicht bei Gretchen. Das war Ronnie-Schutzgebiet, wo ich mich aufs Sofa fläzen und mir CDs anhören oder fernsehen konnte, während Gretchen um mich herum staubsaugte.
    Doch in dem Moment hätte ich ihr sogar das Klo geputzt dafür, wie Keith seine Hand auf meine legte. Samstag würde es was werden. Seine Augen versprachen es. Das hier war ein Vorgeschmack aufs Wochenende.
    Anscheinend sah ich ihn wieder ganz verträumt an, denn Gretchen schüttelte traurig den Kopf.
Lass es doch
. Aber es ging nicht. An Keiths Seite fühlte ich mich so wirklich wie sonst nie – nicht mal beim Laufen. Ich hatte das Herumgeistern satt. Ich wollte zurück in meinen Körper, und nichts half mir dabei mehr als die Aussicht, mit den Fingern über sein stoppeliges Kinn zu streichen und seinen würzig-süßen Mund zu küssen. Ich spürte förmlich schon,wie er sich beim Umarmen oder langsamen Tanzen an mich drückte, und das wollte ich.
    In jenem Augenblick hätte ich mich an den Teufel persönlich gekuschelt, wenn er mir nur das Gefühl gegeben hätte, lebendig zu sein.

14
    Nach Schulschluss ging ich mit Gretchen zu unserem Spind. Sie fuhr nachmittags mit dem Bus nach Hause, Tomás und ich erst Stunden später, nach dem Training.
    Tomás wartete schon auf uns, zerknüllte Papierschnipselchen und warf sie in hohem Bogen in den Mülleimer. Mir fielen seine Anmut und seine muskulösen Oberarme auf. Wie immer war er das Gegenteil von schnell. Er bewegte sich so langsam, dass es aussah, als wäre er unter Wasser. Aber jeder Wurf in den Papierkorb saß.
    »Stehst du auch hinter der Drei-Punkte-Linie?«, fragte Gretchen, während sie am Zahlenschloss fummelte.
    Er schien zu überlegen. »Nee, die ist in der Cafeteria«, sagte er mit so ernster Miene, dass ich für einen Moment auf seinen Scherz hereinfiel.
    Dann wandte er sich an mich. »Wann ziehen wir wieder zusammen los?«
    Gretchen sah mich an und ihr Mund verzog sich zu einem verschmitzten Lächeln.
    »Nicht, was du denkst«, sagte ich.
    »Ronnie und ich erkunden nur den Fluss. Wie sie es immer mit Karen gemacht hat.«
    Dafür hätte ich ihn knutschen können. Er sagte nicht
Ronnie ist gestört
oder
Ronnie muss mit der Sache abschließen, tun wir ihr also den Gefallen
.
    Gretchen zwängte ihre Schulbücher in den Rucksack. »Das ist nicht euer Ernst, oder?«, sagte sie. »Es war ein Unfall, Ronnie. Lass gut sein.«
    Seufzend nahm ich meine Sporttasche aus dem Spind. Ich wollte es nicht lassen. Wenn ich es ließ, würde alles, was ich an Karen liebte, aufs Meer hinaustreiben. Und das wollte ich auf keinen Fall. Im Gegenteil. Ich wollte die Erinnerung an sie so festhalten, dass ich Karen ihrem Schicksal entreißen konnte. »Wenn du meinst«, sagte Tomás, und sein Gesichtsausdruck verriet, wie wenig ihn Gretchens Meinung interessierte. »Ich nehm an, du kommst nicht mit.«
    Gretchen schlug den Spind zu. »Nein, tu ich nicht, weil das Ganze lächerlich ist. Habt ihr überhaupt eine Ahnung, wonach ihr sucht oder wo ihr suchen sollt?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Und selbst wenn, seit drei Tagen schüttet es wie aus Eimern. Falls es irgendwelche Spuren gegeben hat, meint ihr nicht, sie wären inzwischen weggespült?«
    Darauf wusste ich keine Antwort. Tomás steckte nur die Hände in die Taschen und stieß die Schuhspitze in den Boden. Apropos wie aus Eimern schütten. Gretchen hatte gerade einen ganzen Stausee über mir ausgekippt.
    Man sah mir wohl an, wie geknickt ich war, denn Gretchen entfuhr ein ziemlich genervt klingender Seufzer.
    »Hör zu, Ronnie«, sagte sie. »Ich weiß, dass du traurig bist. Aber was du vorhast, ist zwecklos. Man kann doch auch anders darüber hinwegkommen. Backen. Eine Mütze stricken. Aber nicht das Ufer abgrasen. Dabei wirst du nur nass.«
    Ich blickte zwischen Gretchen und Tomás hin und her. Ihm war es egal, ob das, was ich tat, Sinn hatte. Ihr nicht. Wer war der bessere Freund? Keiner, lautete die Antwort. Beide waren gute Freunde, aber keiner von beiden übte so eine Macht auf mich aus wie Karen. Ihnen musste ich nicht folgen. Ich konnte mir anhören, was sie zu sagen hatten, und dann selbst entscheiden.
    Gretchen schloss den Spind ab und schaute weg. »Bis nach dem Training«, murmelte sie. »Bleib zu Haus.«
    Bleib zu Haus. In Sicherheit. Versuch nicht dies oder

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