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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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wie Esperanza.
    »Dafür gibt es keine Anzeichen«, sagte ich. »Schau mal: Karens Tod war ein Unfall. Sie ist auf einem Stein ausgerutscht. Man kann leicht ausrutschen. Das weiß ich. Mir ist das auch schon passiert. Was geschehen ist, war ein schlimmes Unglück, aber sonst nichts. Ich würde mir keine Sorgen machen wegen irgendeinem Geist, der im Fluss haust und darauf wartet, dass er kleine Kinder fressen kann. Es gibt keine
la llorona

    Ich glaubte selbst nicht, was ich da sagte, aber sie kauftees mir ab. Keine Ahnung, ob ich so überzeugend klang oder ob Esperanza einfach genau das hören wollte, jedenfalls schien sie sich zu entspannen. Gemeinsam holten wir das Ausziehbett hervor und schoben es an meins. Sie schlug die Decke zurück und kroch hinein. Dann griff sie zum Nachttisch und nahm etwas von einem Stapel, der noch nicht da gewesen war, als ich mich schlafen gelegt hatte.
    »Ich hab ein paar Bücher mitgebracht«, sagte sie und warf mir eins auf den Schoß. »Lies vor«, befahl sie, nahm den Daumen in den Mund und drehte eine Haarsträhne um den Finger.
    Ich schlug das erste Buch auf und tat, wie mir geheißen. Sie hatte nur Geschichten von zähnefletschenden, schrecklich brüllenden Ungeheuern ausgesucht, die jedoch allesamt von einem einzigen mutigen Kind gebändigt werden konnten. Und das ließ mich hoffen. Hätte sie etwas von Feen oder Prinzessinnen hören wollen, die in einer funkelnden Glitzerwelt lebten, dann hätte ich mir Sorgen um sie gemacht. Doch wenn sie beim Einschlafen Mut und Abenteuer lauschen wollte, würde sie vielleicht eines Tages selbst die Stärke finden, von der sie jetzt nur nuckelnd hörte.
    Als das letzte Ungeheuer schließlich besiegt war, fiel ihr der Daumen aus dem Mund, und sie sank schwer ins Kissen. Ein Spuckestreifen sickerte in den antiken Zierbezug mit den Entchen. Ich lehnte mich über sie, um die Lampe auszuknipsen, und sagte mir, dass man gemeinsam stark ist und uns
la llorona
vielleicht nicht kriegen würde, wennwir zusammenhielten. Doch dem Fluss draußen vor dem Fenster war das einerlei.
    Verlorn … verlorn … verlorn …
    Es war ein schauriges Schlaflied, und ich wusste, meine tapferen Worte hatten keine Macht über ihn. Der Gedanke, dass wir zu zweit waren, mochte Esperanza leichter einschlafen lassen, ich aber kannte die Wahrheit: Wir waren zwar zu zweit, doch eine von uns lutschte noch am Daumen.
    Das nächste Mal, wenn der Fluss aus seinem Bett sprang, war ich unser einziger Schutz.

13
    Die Hoodoo High lag am Ufer des Detroit Lake, eines vom Santiam gespeisten Sees. Unterhalb des Sees befand sich eine Reihe von Staudämmen und darunter der Willamette River, der in den Columbia River mündete – oder in den ›mächtigen Columbia River‹, wenn man von Unterrichtsfilmen über
Die Landschaft des amerikanischen Westens
blablabla geschädigt war. Glaubte man solchen Werbesprüchen für die Region, war der ganze Bundesstaat mächtig. Mount Hood war mächtig, Smith Rock war mächtig, der Wind, der durch die Schlucht peitschte, war mächtig. Das Einzige im Bundesstaate Oregon, was nicht mächtig war, war das Maskottchen der Hoodoo High, der Hodag.
    Wahrscheinlich war auch der Hodag im Laufe seinerEntwicklungsgeschichte einmal mächtig gewesen. Er entstammte einer der abenteuerlichen Lügengeschichten, die sich die Siedler an der Grenze zum Wilden Westen erzählt hatten, ähnlich wie der Bigfoot. Angeblich war er ein riesiger Drache mit Fell, ein bedrohliches Untier, das auf dem Hoodoo hauste und Skifahrern auflauerte, um ihnen ein Beinchen zu stellen und das Schultergelenk auszukugeln. Tja, der Hodag an den Wänden unserer Highschool war leider zu niedlich für eine Bestie. Er sah aus wie eine Figur aus einer Zeichentrickserie für Kinder, in der Kategorie ›Ungefährliche Tiere aus dem Reich der Mythen und Legenden, die Törtchen fressen und Gebilde aus Klebstoff und Nudeln basteln‹.
    Gretchen und ich teilten uns in der Schule einen Spind, aber wir hatten so unterschiedliche Stundenpläne, dass wir uns selten vor der letzten Stunde sahen – in Chemie, ein Fach, in dem ich grottenschlecht war. Falsche Gehirnhälfte, zu viel auswendig zu lernen.
    Trotzdem war Chemie an der Hoodoo mein Lieblingsfach, und zwar wegen Keith Spady. Ich hoffte, meinen peinlichen Auftritt vor ihm wieder wettmachen zu können. Zumindest trug ich ein tief ausgeschnittenes T-Shirt. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob das was nützte. Ich hatte schon Mückenstiche gehabt, die

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