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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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Wackelpudding mit Bier war wohl das erste Anzeichen, dass Gretchens Party voll in die Hose gehen würde.
    Es lief ungefähr so ab: An dem Abend fuhr Dad mich und Tomás mit dem Wagen zu Gretchen. Er wollte uns partout nicht zu Fuß gehen lassen, obwohl es nicht einmal zwei Kilometer bis dorthin waren und Tomás ein Schrank von einem Mann. »Nicht, dass ich euch nicht trauen würde, es sind eher die anderen Autofahrer, denen ich nicht traue. Die Straße ist ja kaum beleuchtet«, sagte Dad und sprach jedes Wort so überdeutlich, als würde er sein Schlussplädoyer vor einer ihm feindlich gesinnten Jury halten.
    Als wir bei Gretchen in der Einfahrt hielten, fing Dad mit seinem Verhör an. »Hast du dein Pfefferspray?«
    »Hab ich.« Es war an meiner Handtasche befestigt.
    »Was ist mit deinem Handy?«
    »Hab ich auch.« Mein neues Telefon steckte in einer Extratasche an meinem Gürtel. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass mir das alte Handy geklaut worden (und nicht verloren gegangen) war, und Dad hatte eins per Overnight Kurier kommen lassen. Irgendwie gefiel es mir, mich mit Technik zu schmücken. Ich kam mir dann wichtig vor … wie Batman.
    »Ruft an, wenn ihr abgeholt werden wollt, okay? Und Ronnie, versuch mal, nicht allein draußen herumzugeistern.« Dad blickte mich ernst an. »Und noch was: Wenn du schon mit jemandem rummachen musst, dann such dir jemand Großen. So wie Tomás hier.«
    »Dad!«
    Tomás versank in seinem Sitz, und die Vorspeisen, die er auf dem Schoß hatte, drohten vom Tablett zu kippen.
    »Na gut«, sagte Dad. »Ich wünsch euch viel Spaß!«
    Wir stiegen aus, Tomás mit den blauen Nachos und der
Guasacaca
, einem Dip aus mehreren Lagen Guacamole, Mais und schwarzem Bohnenmus, der zu einem Berg aufgeschichtet und mit Koriander gewürzt war. Wenn man mich fragte, würzte Mom neuerdings viel zu oft mit Koriander.
    Ich dachte, Tomás und ich seien nun mit Dads Demütigungen durch, da ließ er beim Zurücksetzen die Scheibe hinunter und briet uns noch eins über.
    »Ihr zwei seht richtig süß zusammen aus.«
    In dem Augenblick konnte ich mir kaum vorstellen, dass der Abend noch schlimmer werden könnte.

    Gretchen wohnte in dem beigen Bungalow mit den leuchtend dunkelroten Zierleisten. Es war das einzige ausgefallene Haus in der Nachbarschaft. Doch weder Hochdruckreiniger noch hübsch drapierter Rindenmulch konnten darüber hinwegtäuschen, dass die Veranda allmählich in sich zusammensackte. Das Fundament rottete einfach von unten weg. Und das war nicht weiter verwunderlich, hatten wir doch alle nur matschige Pampe unter uns. Einzig das Eis hielt die meisten Häuser zusammen, aber das schmolz jetzt. Man hatte das Gefühl, dass Gretchens Haus und ein Dutzend weiterer noch bei der nächsten Schneeschmelze einfach ins Meer fließen würden.
    Als wir die Einfahrt hochliefen, dröhnten uns die hämmernden Bässe der
White Stripes
in den Ohren. Wir klopften, aber es kam niemand zur Tür, also gingen wir einfach rein.
    Im Flur lief ich an den Art-déco-Postern mit Harlekins (›Cinzano ’74!‹) vorbei zu Gretchens Zimmer. Ihre Tür war verschlossen, also klopfte ich an. »Greti? Tomás und ich sind hier. Wir bauen schon mal alles auf. Lass dir Zeit.«
    Das darauffolgende Gepolter kam nicht aus ihrem Zimmer, sondern aus dem Bad nebenan. Es schepperte, als sei etwas zu Boden gefallen, dann hörte man ein gedämpftes »Scheiße« von einer Stimme, die viel tiefer war als Gretchens, und Gretchens kichernde Bitte, doch leise zu sein.
    »Gretchen?«, rief ich. »Alles okay da drinnen?«
    »Ja!«, sagte sie laut. »Bin gleich da!«
    Ich blieb noch ein paar Minuten vor der verschlossenen Badezimmertür stehen und versuchte zu ergründen, mit wem sie wohl da drinnen war. Wer hatte meine coole Freundin mit den lila Haarspitzen verdient? Mit einem Typen mit Baseballkappe konnte ich sie mir nicht vorstellen.
    Schließlich gab ich das Horchen auf und half Tomás bei den Vorbereitungen. Früher oder später würde sie schon herauskommen. Dann konnte ich ihren Neuen immer noch begutachten.
    Das Esszimmer war klein und lag zwischen Küche und Terrasse. Der Esstisch bestand aus Glas und Chrom. Nicht gerade superschick, aber sauber. In der Mitte stand eine durchsichtige Schale mit königsblauen Murmeln wie einkünstliches Aquarium. Wirkte ziemlich zenmäßig. Fehlten nur noch Orchidee und Bambusgras – irgendetwas Dürres, Verzweigtes, Meditatives.
    Tomás hatte die Deko weggeräumt und breitete eine Decke über den

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