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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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Petunias Leine in die Hand. »Erst musst du mit deinem Hund raus. Hast du dein Pfefferspray?«
    Das klang doch schon wieder ganz nach meinem alten Dad. Ich musste ihm gar nicht erst sagen, dass ich keine Ahnung hatte, wo mein Pfefferspray war. Sheriff McGarry hatte es mir kaum gegeben, da hatte ich es schon irgendwo verbummelt.
    Noch bevor ich etwas sagte, löcherte Dad mich weiter. »Wie steht’s mit deinem Handy?«
    Darauf wusste ich eine Antwort. »Im Rucksack.«
    »Dann hol’s mal raus.«
    Ich zog den Reißverschluss an der Vordertasche auf und kramte darin herum. Normalerweise lag es genau da, unter dem Lippenpflegestift und dem Energieriegel. Nur war es da nicht.
    Ich schüttelte die Tasche über der Kommode aus. Drei Tampons, eine Handvoll Kleingeld, das von einer geheimnisvollen braunen Staubschicht überzogen war (alte Oreo-Plätzchen?), eine Sonnenbrille, aber sonst fiel nichts heraus.
    »Probier’s mal mit dem großen Fach«, schlug Dad vor. Also schüttelte ich auch das aus. Chemiebuch,
Literature for You
, Zweite Auflage,
Bonjour
, Fünfte Auflage, drei Unterrichtsmappen mit den dazugehörigen Spiralheften, ein zusammengefalteter Leichtathletik-Wettkampfplan, ein Paar echt stinkende Söckchen und das war’s.
    »Hm? Ich hätte schwören können, dass ich es heute Morgen hier reingelegt hab.«
    »Nun, du gehst mir nicht vor die Tür, bis ich dein Handy gesehen hab, eingeschaltet und voll aufgeladen.«
    »Schon gut, Mr Severance. Ich hab meins dabei.« Hinter mir stand Tomás und hielt Dad sein Motorola hin. Zum zweiten Mal an diesem Tag kam er mir zu Hilfe. Auch wenn ich mich nicht gern abhängig fühlte, war es schon irgendwie cool, jemanden auf meiner Seite zu haben. Ich konnte verstehen, warum die Jungs aus der Basketballmannschaft ihn so mochten. Es lag nicht nur an seiner Größe.
    Doch Dad war mit seinem Verhör noch nicht fertig. »Ihr Pfefferspray hast du wohl auch.«
    »Hier.« Tomás zog den Druckknopf auf und warf es mir zu.
    »Taschenlampe?«
    »Ja«, sagte Tomás.
    Dad wurde milder. »Danke, Tomás. Schön, dass wenigstens einer von euch gut organisiert ist.«
    Dann warf er mir noch einen letzten strengen Blick zu und zog sich in die
Astro-Lounge
zurück.
    Nachdem ich alles wieder in den Rucksack gepackt hatte, gingen wir zum Wintergarten hinaus und die Stufen hinunter, Petunia links von mir, Tomás rechts.
    Das ist echt krank. Warum hat Dad mir nicht gleich auch noch Tomás an der Leine mitgegeben?
, dachte ich.
    Der Fluss führte mehr Wasser als gestern und das beunruhigte mich. Ich wusste, dass es nur von der Schneeschmelzekam, wie immer im Frühjahr, doch für mich hieß es, dass ich an Boden verlor und
la llorona
ihn gewann.
    »Was wohl mit meinem Handy passiert ist«, überlegte ich laut.
    »Vermisst du sonst noch was?«, meldete sich Tomás zu Wort. Für einen Augenblick hatte ich vergessen, dass er bei mir war, so leise und geschmeidig bewegte er sich.
    »Meinst du meinen iPod? Und Dad fehlen ein paar von seinen Antidepressiva.« Auf einmal wurde mir klar, worauf er hinauswollte. Er warf mir gar nicht vor, dass ich unordentlich war. »Ach, komm. Du hast meinen Dad doch gehört, ich bin chaotisch. Ich hab meinen Kram bloß verlegt.«
    »Sogar die Medikamente von deinem Dad?«
    Das ließ mich stutzen. Hatte er vielleicht recht? Beklaute uns jemand?
    »Was ist mit deinem Portemonnaie?«, fuhr Tomás fort. »Ist da noch Bargeld drin?«
    »Keine Ahnung.« Ich sah nicht ständig nach. Das klingt vielleicht komisch, aber in Hoodoo gab es nun mal nichts zu kaufen.
    Tomás runzelte die Stirn. »Am besten, wir gehen zurück. Wir gehen sofort zurück und gucken nach.«
    »Danke, ein Vater reicht mir«, fauchte ich. Bei dem ganzen Ärger, den ich hatte, war ich froh, draußen zu sein, ob angeleint oder nicht. Und Tomás sollte mir nicht vorschreiben, womit ich das bisschen Freiheit verbrachte, das mir noch blieb.
    Keine drei Schritte weiter tat es mir leid. Hatte der arme Kerl sich heute nicht schon zweimal für mich eingesetzt? Klar, das gab ihm nicht das Recht, über mich zu bestimmen, aber so war es doch unter Geschwistern. Jedenfalls soweit ich gehört hatte. Man konnte sich in den Wahnsinn treiben, aber voreinander davonlaufen konnte man nicht. Außerdem hatte ich ja auch kein Problem damit, wenn Esperanza mich um zwei Uhr morgens weckte, und die hatte noch niemandem für mich den Stinkefinger gezeigt.
    Gerade wollte ich mich entschuldigen, da kam er mir zuvor. »Das war total daneben«,

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