Dunkle Wasser
Tisch. Ich ging in die Küche und zog die Frischhaltefolie von den Nachos und vom Dip. Dabei fiel mein Blick auf die Liste, die am Kühlschrank klebte.
Darauf stand:
Gretchen, ich möchte, dass du:
– ein Olivenrosmarinbrot machst
– dein Badezimmer putzt
– die Katze fütterst
Schon halb in Partystimmung beschloss ich, dass man etwas dagegen unternehmen musste. In meinem Leben gab es so viele Dinge, die ich nicht beeinflussen konnte, aber wenigstens bei Gretchens To-do-Liste konnte ich heute Abend ein wenig nachhelfen. Also zerriss ich sie. Dann suchte ich die Post-it-Zettel ihrer Mutter und dachte mir eine neue Liste aus:
Gretchen, ich möchte, dass du:
– Wackelpudding mit Bier machst
– die Katze saugst
– gründlich in der Nase bohrst
(aber keine halben Sachen, hörst du. Bis zum
Kleinhirn solltest du schon vordringen!)
Ich klebte den Zettel an den Kühlschrank und vergaß ihn gleich darauf wieder, denn in der Spüle türmte sich das schmutzige Geschirr und ich wollte unbedingt helfen.
Vielleicht sollte ich erwähnen, dass Gretchen ihre Mittel und Wege hatte, gegen ihre Mom zu rebellieren. Zunächst einmal war ihr Zimmer für ihre pingelige Mutter tabu. Die dreckigen Klamotten auf dem Boden hatten mehr Schichten als unsere Guasacaca. Zweitens wich sie nie, aber auch nie von dieser Liste ab. Wenn sich in der Spüle dreckiges Geschirr stapelte, aber auf der Liste nichts von Spülen stand, dann ließ sie den Haufen fröhlich weiter wachsen, bis die Fliegen kamen. So war es wohl auch heute Abend. Töpfe mit angebrannter Spaghettisoße, Salatdressing und verkrustetem Mehl stapelten sich im Ausguss. Die zu schrubben würde mir sicher ordentliche Oberarmmuskeln bereiten.
Ich spülte immer noch, als die Badezimmertür endlich aufging und Keith herausgewankt kam.
Obwohl ich noch nichts gegessen oder getrunken hatte, fühlte sich mein Magen an, als hätte ich gerade einen Riesenberg Bohnendip verputzt und ihn mit billigem Tequila runtergespült. Keith? Im Bad mit Gretchen? Kichernd? Vielleicht war es … nein. Das ließ sich beim besten Willen nicht schönreden. Ich musste mich damit abfinden, dass die beiden was am Laufen hatten.
Ich beugte mich tief über die Spüle und biss mir auf die Unterlippe. Dabei mochten sie sich nicht einmal. Wie konnten sie mir das antun?
Mir?
Gretchen kannte meineGefühle. Selbst
Keith
kannte sie und beiden war es offenbar egal.
Keith drehte die Musik lauter und fing an, durchs Wohnzimmer zu pogen. Ich sah verstohlen zu ihm hin. Er trug seine Army-Jacke und roch nach Nelkenzigaretten.
Wie mies bist du eigentlich?
, dachte ich.
Halb mit Absicht krachte er in Tomás hinein. Der stieß ihn heftiger als nötig von sich.
»Sorry,
Tapás
«, sagte Keith.
»Für dich immer noch To-más«, sagte Tomás.
Ich wandte mich ab und widmete mich einer besonders hartnäckigen Kruste, die partout nicht von einem gusseisernen Topf abgehen wollte.
Immer schön in Bewegung bleiben
, sagte ich mir.
Solange du in Bewegung bleibst, ist das alles nicht real
.
Tip, tip, tip
. Keith versuchte, meine Aufmerksamkeit zu erlangen.
»Hi«, sagte ich. In der letzten Stunde waren meine Gefühle für ihn deutlich abgekühlt.
Er rülpste mir ins Gesicht. »Weißt du was? Du bist echt hübsch.«
Mehr sagte er nicht. Dann marschierte er zur Terrassentür und öffnete sie. Und während Tomás und ich ihm dabei zusahen, machte er sich die Hose auf und pinkelte in die Wachholderbüsche von Gretchens Mom.
Keith zog den Reißverschluss wieder hoch, kam herein, grabschte sich einen Nacho und tunkte ihn in die Guasacaca.
»Alter«, sagte Tomás, »wasch dir wenigstens vorher die Hände.«
Was lief denn hier ab? Stand er etwa doch auf mich? Aber was sollte denn die Nummer mit Gretchen im Badezimmer? Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht bemerkt hatte, dass nun auch Gretchen in die Küche gekommen war.
Sofort schnappte sie sich den gusseisernen Topf vom Abtropfgestell und machte Wasser auf dem Herd heiß. Ihre Hände standen überhaupt nicht still, fuchtelten unentwegt herum. Mit einer Hand kochte sie, während sie sich mit der anderen am ganzen Körper kratzte – an den Armen, an den Beinen, aber vor allem an der Stelle am Kopf, an der sie schon die ganze Woche herumscheuerte.
Du wirst sie nicht fragen, was sie im Badezimmer gemacht haben. Ist ja schließlich ihre Sache. Denk nicht mehr daran
.
»Was geht ab, Greti?«
Sie öffnete den Kühlschrank, machte ein Bier auf und trank einen
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