Dunkle Wolken über den Schären: Mittsommerträume (German Edition)
habe ich Ihnen getan?”
Er zuckte die Schultern. “Wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Ich mag Leute nicht, die sich leichtfertig in bedrohliche Situationen begeben und damit sich selbst und andere in Gefahr bringen.”
“Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht, und es tut mir leid, dass ich Ihnen solche Umstände bereitet habe. Es lag nicht in meiner Absicht, Sie …”
“Hören Sie, ich habe keine Lust, mir Ihretwegen nun auch noch eine Lungenentzündung zu holen”, fiel er ihr ins Wort. “Nehmen Sie jetzt endlich meine Hilfe an, oder schaffen Sie es allein vom Boot?”
Magnus fuhr sich mit der Hand durch sein nasses dunkelbraunes Haar. Er war genervt. Wie sollte er mit dieser Frau umgehen?
Vielleicht war es unsinnig, aber es gefiel ihm nicht, dass sich eine Fremde auf Vattenfå befand. Die Insel war sein Zufluchtsort, sein Refugium, und sie war ungefragt hier eingedrungen. Ob unfreiwillig oder nicht, spielte für ihn keine Rolle. Sie gehörte hier nicht her. Sie …
In diesem Moment kam Fredrik um die Ecke gebogen. Als er Magnus und die Fremde erblickte, entfuhr ihm ein unterdrückter Aufschrei. “Um Gottes willen, wo kommen Sie denn her?”
“Die junge Dame ist vor Vattenfå in Seenot geraten”, erklärte Magnus, der froh darüber war, dass sein alter Freund und Mitarbeiter aufgetaucht war. “Ihr Boot ist auf die Felsen aufgelaufen und gesunken. Warum bist du nicht schon längst zu Hause?”
“Mein Werkzeug. Ich hatte es vergessen.” Er wandte sich wieder an die Unbekannte und schüttelte den Kopf. “Du lieber Himmel, Sie müssen ja völlig durchgefroren sein!”
“Genau wie ich”, antwortete Magnus, ehe sie etwas sagen konnte. “Sei so gut und kümmere dich um unseren Gast, Fredrik. Ich gehe mir jetzt erst einmal trockene Sachen anziehen.” Mit diesen Worten wandte er sich ab und ließ seinen Freund und die Fremde einfach stehen.
Wenn er ehrlich war, kam ihm die Gelegenheit, sie an Fredrik abzuschieben, ganz recht, auch wenn er natürlich wusste, dass dies nicht besonders höflich von ihm war.
Aber warum sollte es ihn interessieren, was sie von ihm dachte? Er schuldete ihr keinerlei Rechenschaft. Sie hielt sich gegen seinen Willen auf Vattenfå auf, aber unter den gegebenen Umständen konnte er sie kaum fortschicken. Und wie er Fredriks Frau Magda kannte, würde sie sich über einen unerwarteten Besucher sogar freuen.
Er jedenfalls legte keinen Wert auf einen Hausgast, noch dazu einen weiblichen. Nein, mit Frauen wollte er nichts mehr zu tun haben. Schon gar nicht mit solchen, die sich stets darauf verließen, dass ein Mann ihnen zu Hilfe eilte, wenn sie sich in Schwierigkeiten brachten.
Und irgendwie schien er gerade diese Sorte ganz besonders anzuziehen.
Nur zu gut konnte er sich daran erinnern, was beim letzten Mal vorgefallen war, als eine Frau ihn um Hilfe gebeten hatte.
Sonja, die Ehefrau seines jüngeren Bruders Gunnar …
Unwillig schüttelte er den Gedanken an sie ab. Er hatte aus der alten Geschichte gelernt und ein völlig neues Leben begonnen. Hier auf Vattenfå lag ihm niemand mit seinen Schwierigkeiten in den Ohren. Niemand benötigte seinen Rat oder verlangte etwas von ihm. Und niemand machte ihm am Ende Vorwürfe, wenn nicht alles so lief wie gewünscht.
Genau so hatte er es gewollt.
Als er die Veranda seines Hauses erreichte, das nur ein Stück den Hügel hinauf lag – auf einer kleinen Insel wie Vattenfå, mit gerade einmal einem Dutzend Bewohnern, lag kein Punkt weit vom anderen entfernt –, blickte er noch einmal zurück. Und dieses Mal gelang es ihm aus unerfindlichen Gründen nicht, die Fremde als das zu betrachten, was sie war: einen Eindringling. Stattdessen sah er eine tropfnasse, durchgefrorene und ungemein attraktive junge Frau. Schulterlange blonde Locken umrahmten ein herzförmiges Gesicht, dessen besonderes Merkmal die strahlend aquamarinblauen Augen waren.
Sie war nicht sehr groß, vielleicht etwas über einen Meter sechzig, und damit viel kleiner als die Frauen, mit denen er früher ausgegangen war.
Damals, vor der schrecklichen Katastrophe, die sein ganzes Leben verändert hatte.
Hör auf, sie anzustarren!, ermahnte er sich selbst. Du machst dich ja lächerlich.
Er straffte die Schultern und trat ins Haus. Sicher war es bloß Einbildung, dass er ihren Blick in seinem Rücken zu spüren glaubte.
2. KAPITEL
S trahlender Sonnenschein empfing Jenny, als sie am nächsten Morgen hinaus auf die Veranda trat. Fredrik Björling und seine Frau
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