Dunkle Wolken über den Schären: Mittsommerträume (German Edition)
sicher für ein paar Wochen aufnehmen wird.” Sie seufzte. “Ich muss einfach einmal für eine Weile von hier fort, Anni-Frid. Ein Tapetenwechsel täte mir vielleicht sogar ganz gut.”
Ihre Freundin schüttelte den Kopf. “Dir geht es doch nicht darum, Urlaub zu machen! Nein, Jenny, du willst davonlaufen! Warum fährst du nicht rüber nach Vattenfå und sagst Magnus die Meinung? Ich weiß zwar nicht, was er dir angetan hat, aber es hat dich ganz offensichtlich ziemlich aus der Bahn geworfen.”
“Mit Magnus hat das überhaupt nichts zu tun.”
“Selbst wenn das stimmt, was ich aber nicht glaube: Was willst du in London anfangen?”
“Erik betreibt in Bloomsbury eine Kaffeebar. Vielleicht kann ich sogar eine Weile bei ihm arbeiten.”
“Es ist also endgültig?”
Jenny nickte. “Sei mir bitte nicht böse, Anni-Frid. Ich kann im Moment einfach nicht hierbleiben.” Nicht, wenn ich ständig Gefahr laufe, Magnus über den Weg zu laufen, führte sie den Satz in Gedanken zu Ende. Nicht, wo mich hier alles an ihn und die schöne Zeit erinnert, die wir gemeinsam hatten.
In diesem Moment klingelte ihr Handy. Jenny warf einen Blick auf das Display und zuckte zusammen.
Magnus.
Nach kurzem Zögern drückte sie den Anruf weg und steckte das Telefon zurück in die Tasche.
“Warum bist du nicht rangegangen?”, fragte Anni-Frid stirnrunzelnd. “Das war Magnus, nicht wahr? Komm schon, sag mir, was zwischen euch vorgefallen ist. Ich spüre doch, dass es dir nicht gut geht. Vor seiner besten Freundin hat man keine Geheimnisse.”
Jenny schluckte. Verzweifelt versuchte sie die Tränen wegzublinzeln, die ihr in die Augen stiegen, doch es war zu spät. “Ich liebe ihn”, stieß sie schluchzend aus. “Aber er hat eine andere.”
“Magnus? Eine andere? Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.”
“Ich habe die beiden gesehen. Ich dachte, er liebt mich auch, aber offenbar bin ich da einem Irrtum aufgesessen.”
“Dieser Schuft!” Anni-Frid nahm sie tröstend in die Arme. “Unter diesen Umständen kann ich verstehen, warum du für eine Weile von hier fortwillst. Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich um die Fiskfabrik.”
Wie ein Meer aus Gold wiegten sich die Kornfelder im Wind, und die Höfe der Bauern dazwischen erinnerten an kleine Inseln. Das Flüsschen Nålskan zog sich, einem silberblauen Band gleich, durch das ganze Tal, durchquerte den Ort in Höhe des Gamlavägen – des alten Weges –, bis er im Süden im Nålskansee mündete, dessen Oberfläche im Sonnenlicht glitzerte.
Magnus seufzte. Nichts schien sich verändert zu haben, seit er zum letzten Mal hier gewesen war. Lediglich ein paar Kilometer entfernt lag Majdal Slott, der ehemalige Stammsitz seiner Familie, der sich von hier aus nur als verschwommener Fleck am Horizont abzeichnete. Hier waren seine Brüder und er aufgewachsen. Sie hatten wunderbare Zeiten erlebt, voller Freiheit und Abenteuer.
Die unzertrennlichen Persson-Brüder. Magnus senkte den Blick. Was war aus ihnen geworden?
“Du wirkst sehr nachdenklich”, stelle Katrina fest. Sie saß neben ihm am Steuer ihres Volvo und musterte ihn besorgt. “Ich hoffe, du hast es dir nicht doch noch anders überlegt.”
“Keine Sorge.” Magnus schüttelte den Kopf. “Ich habe lange genug erfolglos versucht, die Vergangenheit hinter mir zu lassen, aber es ist mir nie gelungen. Man kann vor seinem Schicksal nicht davonlaufen.”
In diesem Moment erreichten sie den kleinen südschwedischen Ort Kronsfjället. Das Kopfsteinpflaster war noch immer genauso holprig wie früher, und auch die Häuser, die die Hauptstraße säumten, erstrahlten in denselben altbekannten Pastellfarben, die Magnus immer an die Auslagen eines Eiscremeverkäufers erinnerten. Der Metzger, die Bäckerei, alles war noch genauso, wie er es im Gedächtnis hatte.
Katrina stellte den Wagen am Straßenrand vor einer kleinen Kunstgalerie ab. “Da sind wir.”
“Jetzt sag bloß, diese Galerie gehört Lars”, stieß Magnus überrascht aus. “Er wollte ja schon immer etwas mit Kunst machen, aber ich hätte nicht gedacht, dass er sich diesen Traum eines Tages erfüllt.”
“Du kennst doch Lars”, erwiderte sie nicht ohne Stolz. “Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist er nicht so leicht davon abzubringen. Außerdem läuft die Galerie recht gut. Reich mögen wir damit vielleicht nicht werden, aber es genügt, um glücklich und zufrieden zu leben.” Sie löste ihren Sicherheitsgurt und machte
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