Dunkler Engel
Kraft den Metallrahmen mit seinen bloßen Händen aufzureißen und Zanus herauszuzerren, und mit einem Anruf bei den Cherubim, den
»Türstehern« des Himmelreichs, konnte er ihn dahin zurückschicken, wo er hingehörte, in die Holle. Er hatte die Macht, vor Rachel die wahre Natur des Feindes zu enthüllen.
Aber er tat es nicht. Stattdessen stand er plattfüßig auf dem Bürgersteig und hatte den Hundertdollarschein von Zanus in der Jackentasche. Er konnte nichts tun, als zuzusehen, wie die erste Frau, die jemals sein Herz berührt hatte, mit dem Erzfeind davonfuhr. Das hier war nicht die Verblendung eines Vierzehnjährigen. Das war die Liebe eines Mannes.
Aber er war nicht wirklich ein Mann, erinnerte er sich selbst. Er war ein Engel, ein heiliger Krieger, der sich in einer wichtigen Mission auf der Erde befand. Er konnte nicht riskieren, seine Identität aufzugeben. Er war jetzt ein Mensch, und es war ihm nicht erlaubt, seine Macht zu nutzen. Er musste Befehle befolgen.
So sehr er es auch hasste, machten solche Befehle jetzt einen Sinn für ihn. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie gefährlich die Dunklen Engel für die Sterblichen waren. Er musste so viel wie möglich darüber erfahren, was die Feinde vorhatten.
Befehl oder nicht, er nahm sich vor, auf Rachel aufzupassen. Er nahm sich vor, so lange auf seinem Posten zu bleiben, bis er wusste, dass sie gut und sicher nach Hause gekommen war.
Als der Nachtportier kam, gab Derek ihm den Hundertdollarschein und schickte ihn nach Hause.
FÜNF
Rachel saß an einem wunderschönen Tisch bei Charlie Trotters. Sie hatte zweifellos etwas zu viel Wein getrunken, aber er war vorzüglich. Sie hatten gegessen und warteten jetzt auf Dessert, Kaffee und Brandy.
Zanus entschuldigte sich für einen Augenblick. Kaum war er weg, kamen die Kellner, um seine Serviette aufzuheben und wieder zu falten. Sie füllten auch ihr Weinglas erneut.
Rachel nahm einen Schluck von ihrem Wein, genoss die schöne Umgebung und die Erinnerung an ein fantastisches Abendessen.
Nichts hatte sie beunruhigt. Die Aussprache hatte gar nicht stattgefunden. Die Unterhaltung war wie immer interessant gewesen; Zanus war ein faszinierender Mann, belesen und gebildet. Er hatte die Unterhaltung nicht an sich gerissen, sondern sie ermutigt zu erzählen und ihr aufmerksam zugehört. Das war das perfekte Date gewesen. Er war der perfekte Mann.
Warum wurde sie dann das Gefühl nicht los, dass etwas fehlte?
»Er ist charmant, einfühlsam, romantisch und gut aussehend«, murmelte Rachel in ihr Weinglas. »Jeder, der Zanus begegnet, findet ihn perfekt. Na gut, nicht jeder.«
Rachels Gedanken wanderten zurück zu der unerfreulichen Begegnung mit Derek, dem Portier. Sie hatte an der Tür der Limousine gestanden und ihren Rock glatt gestrichen, als ihre Blicke sich trafen. Sie hatte das seltsame Gefühl gehabt, dass er ihr etwas sagen, ihr eine Warnung schicken wollte. Sie hätte es als reine Eifersucht abgetan und wäre geschmeichelt und sogar ein wenig amüsiert gewesen, wäre da nicht der Moment gewesen, in dem diese unglaublich blauen Augen in ihre geschaut und ihr einen Schauer durch den Körper gejagt hatten. Für einen Moment hatte sie die Limousine vergessen, ihn festhalten und rufen wollen: »Was ist los mit Ihnen? Erzählen Sie mir, was Sie wissen.«
Warum sollte er eigentlich etwas wissen? Und was ginge es sie an, wenn es so wäre? Das war alles ganz schön verwirrend. Rachel trank noch mehr Wein und wunderte sich, wo Zanus so lange blieb.
Vielleicht musste er dringend telefonieren. Handys waren bei Charlie Trotters verboten. Und wie würde dieser Abend jetzt wohl enden?
Sie wollte mit ihm schlafen. Das wollte sie wirklich. Daran dachte sie gerade, als Zanus zu ihrem Tisch zurückkam.
Er griff in seine Jackentasche und sagte: »Ich habe den Kellner gebeten, mit der Creme Brulee noch ein wenig zu warten, sodass ich dir das geben kann.«
Er zog eine lange Samtschachtel aus der Jackentasche und legte sie vor Rachel auf den Tisch.
Rachel schaute auf die Schachtel, dann auf Zanus und war sprachlos.
»Du hast nicht ...«
»Bitte offne sie erst, bevor du mir sagst, dass ich sie für dich nicht hätte kaufen sollen.« Er lächelte sie an.
Rachel öffnete die Schachtel. Zum Vorschein kam ein Armband mit zwei Strängen von Diamanten, eingefasst von perfekten Smaragden.
Rachel atmete einmal tief ein. Sie nahm die Hand vor den Mund und starrte das Armband ehrfürchtig an. Dann schaute sie Zanus
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