Dunkler Engel
höher. »Er war nicht an der Tür, als ich nach Hause kam. Er ist nicht hier ...«
»Und auch niemand sonst«, sagte Derek. Sie starrte ihn verwirrt an und begriff dann, was er meinte. »Sie glauben doch nicht, dass jemand ... dass Zanus ... aber wie sollte jemand heraufkommen, ohne an Ihnen vorbeizumüssen? Sie hätten sie gesehen!«
Derek schüttelte den Kopf. »Servicepersonal geht hier den ganzen Tag ein und aus. Nach dem, was im Logbuch steht, hat ein Typ in Miss Simmons' Apartment die Leitungen angeschlossen. Ein anderer hat in 42 die Spülmaschine repariert.«
»Glauben Sie, dass jemand ihn mitgenommen hat?« Rachels Augen füllten sich mit Tränen. »Aber warum? Es ist keine Rassekatze, nicht wertvoll ...« Sie hielt inne, starrte Derek an. Dann legte sie ihre Hand vor den Mund.
»Oh Gott!«, flüsterte sie von Entsetzen gepackt. »Ich habe mich geweigert, diese Geschäfte abzuschließen. Ich habe Zanus gesagt, er solle zur Hölle gehen. Oh, Derek, was, wenn ... ?«
»Ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse«, sagte Derek. »Vielleicht habe ich vergessen, die Tür abzuschließen, und der Wind hat sie aufgestoßen. Kommen Sie. Ich werde Ihnen helfen, Sampson zu suchen. Wahrscheinlich ist er draußen und streunt da irgendwo herum. Wir werden ihn finden. Er kann nicht weit sein.«
Seine beruhigenden Worte brachten wieder ein wenig Farbe auf Rachels Wangen. Er wünschte nur, er könnte sich selber beruhigen.
Eine gewöhnliche Katze hätte sich vielleicht dazu entschlossen, ein wenig herumzustreunen. Eine Katze, die in Wirklichkeit ein Cherub war, mit der Aufgabe betraut, auf einen Menschen aufzupassen, hätte die Wohnung unter gar keinen Umständen verlassen.
Es sei denn ...
Vielleicht hatte Sampson die Dinge in die eigenen Hände beziehungsweise Pfoten genommen. Er hatte Derek heute Morgen gefragt, ob er ihn mitnehmen würde. Sampson war dafür bekannt, dass er schusselig und unzuverlässig war, auch wenn er diesen Job bis jetzt richtig gut gemacht hatte. Es könnte sein, dass der Cherub sich dazu entschlossen hatte, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Derek hoffte, dass das die Antwort war.
Sie rannten aus dem Haus und suchten den ganzen Bürgersteig und auch die Straße ab. Sie schauten unter Büschen und parkenden Autos nach. Keine Spur von einer orangefarbenen Katze. Rachel und Derek riefen beide Sampsons Namen. Keine Antwort.
»Es könnte sein, dass er in den Park gelaufen ist, wo wir immer unsere Spaziergänge machen«, vermutete Derek. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht.
»Ich werde dorthin gehen und nach ihm suchen«, bot Derek an.
»Gehen Sie nach oben und ruhen Sie sich ein bisschen aus.«
Rachel schüttelte den Kopf. »Nein, ich könnte jetzt unmöglich schlafen. Ich muss weitersuchen.«
Sie starrte in Richtung Park. In Derek wuchs eine düstere Vorahnung heran. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sampson hätte niemals seinen Posten verlassen. Derek hatte das schreckliche Gefühl, ganz genau zu wissen, wo er nachschauen musste. Er ging geradewegs auf die Bank zu, auf der er und Sampson ihre Unterhaltungen geführt hatten. Und da, unter der Bank lag Sampsons Körper, über und über mit Blut verschmiert.
Derek versuchte, Rachel die Sicht zu versperren, aber sie war zu schnell für ihn. Sie stieß ihn zur Seite.
»Das kann nicht sein!«, schrie sie. »Das ist er nicht! Das ist eine andere Katze! Das muss eine andere Katze sein!«
Sie brach in Tränen aus.
Derek schaute hinab auf den blutigen Körper. Es gab nicht den geringsten Zweifel daran, dass es Sampson war, und es sah so aus, als wäre er von einer schrecklichen Bestie zerfleischt worden. Lange Krallenspuren durchzogen sein Fell. Ein Ohr war fast abgerissen, ein Auge aufgeschlitzt. Blut und Speichel liefen aus seinem gebrochenen Kiefer. Sein Schwanz war in einem seltsamen Winkel geknickt. Ein Bein hing nur noch an einer Sehne. Sein Fell war durch das Blut ganz verfilzt. Derek zog seine Jacke aus, legte sie über die Katze und wickelte sie darin ein.
Dereks Herz klopfte ihm bis zum Hals, Schmerzen brannten in seiner Brust. Er hätte nicht gedacht, dass er das einmal sagen würde, aber er hatte angefangen, den kleinen, tapferen Cherub zu mögen und zu bewundern.
»Geben Sie ihn mir«, sagte Rachel. »Ist er tot?«
»Nein, aber ziemlich schwer verletzt«, sagte Derek.
Derek hob den schlaffen Körper hoch und gab ihn Rachel.
»Wir sollten ihn zu einem Tierarzt bringen!«, sagte sie fieberhaft.
»Hier in der
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