Dunkler Rausch der Sinne
nachlässig die Achseln. »Denk, was du willst,
Lucian. Anscheinend können wir uns in diesem Punkt nicht einig werden. Was
machen wir jetzt?«
»Wir sorgen dafür, genug Aufsehen zu erregen, damit jeder hier in der
Stadt unsere Abreise sieht oder davon hört. Und weil du so dickköpfig bist,
werden wir auch eine Spur in Form von Dokumenten zurücklassen.«
»Was soll das heißen?« Seine weiche, einschmeichelnde Stimme machte
sie hellhörig. Sie klang einfach zu rein und unschuldig. Irgendetwas führte er
im Schilde.
»Karpatianer hinterlassen so wenig Dokumente wie möglich. Dinge wie
Ausweise können sich ein paar hundert Jahre später als belastendes
Beweismaterial entpuppen. Heutzutage mit all den Computern ist es noch
leichter, sich in einem Labyrinth von Papierkram zu verlieren. Wir beschaffen uns
nur ungern Dokumente, es sei denn, es geht um Geld oder Grundbesitz, um Dinge,
die wir uns zu gegebener Zeit selbst >vermachen<. Das ist einer der
Gründe, warum wir oft von einem Kontinent zum anderen ziehen, wenn wir nicht in
unserer Heimat sind. Den Menschen ist es unmöglich, fünfzig oder sechzig Jahre
später in uns etwas anderes als unsere eigenen Nachkommen zu erkennen.«
Sie lachte leise. »Ich schätze, diese Antwort habe ich verdient. Ich
musste einfach fragen. Was hast du jetzt vor?«
»Dich auf die Art deiner Leute zu heiraten. Es gibt da einen Mann, der
das machen kann, einen Richter, den ich kenne. Er wird die erforderlichen Unterlagen
beschaffen. Geld und Einfluss bewirken selbst zu dieser späten Stunde wahre
Wunder. Natürlich wird er angesichts der vielen Verbrechen, die in unserem
näheren Umfeld stattgefunden haben, Verständnis für unseren Wunsch nach einer
heimlichen Eheschließung haben. Die Neuigkeit wird morgen an die Presse
weitergegeben, was unserer Sache nur dienlich sein kann.«
Sie senkte die Wimpern, um den Ausdruck in ihren Augen zu verbergen.
»Ich hoffe, du machst Witze.«
Die lange weiße Limousine hielt bereits am Straßenrand, als hätte
Antonio seine Anweisungen erhalten. Jaxon lehnte sich in ihren Ledersitz
zurück, sodass ihr Gesicht im Schatten lag. Lucian strich sanft mit einem
Finger über ihre Wange. »Diese Zeremonie bedeutet dir sehr viel.« Es war eine
Feststellung, keine Vermutung.
»Eigentlich nicht.« Jaxon versuchte so sachlich zu klingen wie er. Und
wenn sie nun wirklich wie fast jedes Mädchen auf der Welt von einem weißen
Hochzeitskleid und einer Kirche voller Freunde und Verwandter geträumt hätte?
Ihre Familie war tot, und viele ihrer Freunde waren denselben Weg gegangen. Jeder
Gast, der zu ihrer Hochzeit kam, würde sein Leben aufs Spiel setzen, genauso
wie der Mann, der die Trauung vollzog. Sie schüttelte den Kopf. »Ich will das
nicht. Drake würde sich rächen, bevor er unsere Verfolgung aufnimmt.«
Lucian betrachtete einen Moment lang ihr abgewandtes Profil, bevor er
zustimmend nickte. Sofort schleuste sich der Wagen wieder in den Verkehr ein
und fuhr weiter. Jaxon hatte Recht. Tyler Drake würde tatsächlich jeden, der an
ihrer Eheschließung beteiligt war, als Bedrohung für seine Phantasiewelt
ansehen. Lucian ließ langsam seinen Atem entweichen. Es gab viele Dinge in
Jaxons Erinnerungen, die er nicht ganz verstand. Die menschliche Zeremonie
einer Hochzeit hatte in seinen Augen nicht die Schönheit und Vollständigkeit
des karpatianischen Rituals, und doch konnte er Jaxons Sehnsucht nicht aus
seinem Denken verdrängen. Eines Tages, schwor er sich, würde sie ihre Hochzeit
in einer Kirche bekommen, umgeben von Freunden und Verwandten. Im Augenblick
konnte er nicht mehr tun, als sie in den Armen zu halten und sie mit seiner
Nähe zu wärmen.
In ihrem Haus ließ er eine grobe Skizze seines Grundstücks tief in den
Cascade Mountains zurück, zusammen mit drei Schwarzweißfotografien der alten
Jagdhütte, die er dort erworben hatte. Daneben lag unübersehbar eine Nachricht
in seiner schwungvollen Handschrift. Graphologen hätten die Schriftzüge als
kühn geschwungen bezeichnet, sie eher der alten Welt zugeordnet und den
Verfasser als dominantes männliches Wesen mit unerschütterlichem
Selbstvertrauen beschrieben. Die Nachricht war scheinbar an Antonio gerichtet
und enthielt detaillierte Informationen über die Betreuung und Verwaltung von
Lucians Besitz während seiner Abwesenheit. Antonio war sich natürlich über
seine Anweisungen durchaus im Klaren.
Lucian nahm Jaxon an der Hand und führte sie in den abgeschlossenen
Innenhof auf der
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