Dunkler Rausch der Sinne
ihr hitziges Temperament.
»Ich würde mir nie anmaßen, Gott zu sein, aber ich bin mir der großen
Verantwortung, die mir auferlegt worden ist, durchaus bewusst. Und auch der
Fähigkeiten, die mir gegeben sind, um meine Aufgaben erfüllen zu können. Ich
bin in der Lage, Probleme ohne persönliche Rachegelüste oder andere Gefühle,
die mein Urteilsvermögen trüben könnten, einzuschätzen.«
»Damit machst du dich zum Richter, Geschworenen und Vollstrecker in
einer Person, Lucian. Dazu hat niemand das Recht.«
»Du irrst dich, mein Engel. Im Lauf der Zeit mussten viele meiner Art
genau das sein. Es ist nicht leicht, und der Tribut, den unsere Seelen dafür
leisten, ist ungeheuer, aber wir haben die Verantwortung übernommen, um sowohl
unser Volk wie auch die Menschen zu beschützen. Ich bin, was ich bin, und ich
kann weder ändern, was einmal war, noch, was jetzt ist. Wenn jemand unsere
Existenz bedroht, bemühen wir uns, die Erinnerungen des Betreffenden ohne
Gewaltanwendung auszulöschen, aber wenn es nötig ist, schlagen wir zurück.
Auch wir haben das Recht, uns auf dieser Erde aufzuhalten. Dasselbe Wesen, das
die Menschen erschaffen hat, ist auch unser Schöpfer. Uns sind viele Prüfungen
auferlegt worden, und wir haben sie akzeptiert.«
»Was ist, wenn ein völlig Unschuldiger deine Existenz entdeckt und du
sein Gedächtnis nicht löschen kannst? Glaubst du, du hast das Recht, ihm das
Leben zu nehmen?«
Ein schwaches Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »In all den
Jahrhunderten meines Daseins ist so etwas nie passiert. Wenn jemand uns
entdeckt und nicht kontrolliert werden kann, würde ich annehmen, dass es für
ein derartiges Phänomen einen guten Grund gibt, und die Angelegenheit gründlich
untersuchen. Mehr kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht dazu sagen.«
»Wie
praktisch für dich.« Sie folgte ihm die Treppe hinunter.
Sein dunkler Blick musterte sie unbewegt. »Sarkasmus steht dir nicht
allzu gut, mein Engel. Ich gebe gern zu, dass ich eine Schwäche für dein
freches Mundwerk habe, aber Sarkasmus bei einem so wichtigen Thema ist unter
deiner Würde.«
Jaxon wurde rot. Es war
wirklich nicht fair von ihr, so voreingenommen zu sein. In ihrem Beruf konnte
man leicht genug innerhalb eines Momentes die Entscheidung treffen müssen, zu
schießen oder es bleiben zu lassen. In gewisser Weise machte das auch sie zu
Richter, Geschworenem und Vollstrecker in einer Person. Sie hatte eine
derartige Situation nie bewältigen müssen, aber sie kannte zwei Polizisten, die
bei der Verfolgung eines Verdächtigen plötzlich etwas Metallisches in seiner
Hand blitzen sahen und sich dafür entschieden, auf den Betreffenden zu
schießen. Keiner der beiden Männer hatte die Tatsache verkraften können, einen
unbewaffneten Jugendlichen erschossen zu haben. Einer von ihnen beging
Selbstmord, und der andere quittierte den Dienst und litt immer noch an
Albträumen und Alkoholsucht. Wie wäre sie mit einem Leben zurechtgekommen,
dass ihr so schwere Entscheidungen abverlangte? Ihr Inneres scheute vor der
Frage zurück.
»Es tut mir leid, Lucian. Du hast Recht. Ich bin froh, dass ich nicht
du bin und nicht dein Leben führen oder deine Entscheidungen treffen musste.
Mein Leben war schwer genug.« Sie legte eine Hand auf seinen Arm. »Das meine
ich ernst.«
»Du brauchst dich nicht bei mir zu entschuldigen, Jaxon. Wir müssen
beide sehr schnell schwer wiegende Entscheidungen fällen, die mehr als nur
unser Leben betreffen, Ich weiß, wie schwer das für dich ist, und außerdem
kennst du mich immer noch nicht sehr gut.«
Erst einige Zeit später wurde Jaxon bewusst, dass Lucian ihr keine der
von ihr geforderten Informationen gegeben hatte. Sie wusste immer noch nicht,
warum die drei Männer in ihr Haus eingebrochen waren und was sie dort gewollt
hatten. Oder was Lucian tatsächlich getan hatte, um die Situation in den Griff
zu kriegen.
Kapitel
13
Lucian kümmerte sich zuerst um
die Wölfe und half Antonio, sie in Käfige zu verstauen und auf die Reise
vorzubereiten. Unter seinem besänftigenden Einfluss schien das Rudel durchaus
bereit, in die Wildnis der kanadischen Wälder zurückzukehren. Lucian wirkte
sehr ruhig und gelassen, als er behutsam auf jedes Tier einging, wobei er dem
Alphapaar besondere Aufmerksamkeit schenkte. Er sah ihnen tief in die Augen,
und eine Art Kommunikation fand zwischen ihnen statt, ein Austausch von etwas
Wildem und Animalischem, von dem Jaxon sicher war, es nie nachvollziehen
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