Dunkler Rausch der Sinne
zu
können, das sie aber trotzdem sehr schön und ergreifend fand. Tränen stiegen
ihr in die Augen, als sie beobachtete, wie sanft er mit den Tieren umging.
Lucian versetzte sie immer wieder in Erstaunen.
Als sie dem Laster nachschauten, der das Grundstück verließ, langte
Jaxon nach Lucians Hand, erfüllt von einer unbestimmten Trauer, die Tiere
fortgehen zu sehen. Sie gehörten zu Lucian, waren wild und ungezähmt wie er. »Du
hättest sie nicht wegschicken müssen, wenn du nicht mit mir zusammen wärst.«
Sofort konzentrierte sich Lucians Aufmerksamkeit gänzlich auf sie. Er
neigte seinen dunklen Kopf über ihren blonden und legte einen Arm um ihre
schmale Taille. »Du bist mein Leben, die Einzige, die mir etwas bedeutet. Ich
kann ohne die Wölfe leben. Ich kann ohne mein Volk und fern meiner Heimat
leben, aber ich kann nicht ohne dich leben. Wir haben gemeinsam eine
Entscheidung getroffen. Wir verlassen unser Zuhause nicht endgültig, sondern
machen eher so etwas wie einen klei nen Arbeitsurlaub. Ohne mich wären die Wölfe außerhalb
ihrer natürlichen Umgebung verunsichert. Wenn jemand versuchen sollte, sie zu
vergiften, und ich nicht hier wäre, um ihnen entsprechende Anweisungen zu geben,
könnten einige von den jüngeren Tieren das verdorbene Fleisch fressen.«
Ihre dunklen Augen forschten in seinem Gesicht. »Haben diese Männer den
Wölfen Gift gegeben?«
Er nahm ihre Hand und führte sie zu der langen weißen Limousine. »So
ist es.«
Antonio half ihr in den Wagen. Sie schenkte ihm ein geistesabwesendes
Lächeln, während sie diese neue Information verarbeitete. »Und du hast sie
davonkommen lassen? Das sieht dir gar nicht ähnlich. Wo fahren wir hin? Wir
nehmen doch nicht diese Monstrosität, oder? Ich habe einen kleinen Wagen. Er
fährt ganz schön schnell«, fügte sie hoffnungsvoll hinzu.
Lucian beugte sich vor und raunte ihr ins Ohr: »Wir brauchen kein
Auto, mein Engel. Im Moment versuchen wir lediglich, Aufmerksamkeit zu
erregen.«
Ein kleines Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. »Das schaffen wir mit
diesem Wagen bestimmt.«
»Eben. Tyler Drake wird wissen, dass wir wegfahren. Das ist der Zweck
der Übung. Und auch die Untoten müssen über jeden unserer Schritte im Bilde
sein.«
»Aber wir fahren doch nicht in dieser Limousine den ganzen Weg zu
unserem Zielort, der mir übrigens noch unbekannt ist. Weißt du eigentlich
schon, wo es hingehen soll?«
Der Wagen glitt schnell und lautlos durch die Straßen in Richtung
Polizeirevier. »Ich habe etwas Grundbesitz an der Grenze zwischen dem
Bundesstaat Washington und Kanada. Wir können uns dort ohne großen Aufwand
häuslich einrichten.«
Jaxon
schüttelte den Kopf, verzichtete aber darauf, ihm zu sagen, dass ihr der
Gedanke, irgendwo in der Wildnis von Tyler Drake gejagt zu werden, ganz und gar
nicht behagte. Sie hatten über dieses Thema bereits gesprochen. Sie wusste,
dass Lucian glaubte, mühelos mit Drake fertig zu werden, aber ihm war nicht
bewusst, was für eine hervorragende Ausbildung Drake absolviert hatte. Drake
war zwar ein Mensch, aber einer mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Und das
Einzige, woran ihm im Moment lag, war höchstwahrscheinlich, Lucian umzubringen.
Im Nahkampf würde es ihm mit Sicherheit nicht gelingen, aber aus einer gewissen
Entfernung wäre es möglich. Sie war überzeugt, dass Drake sogar aus relativ
großer Distanz töten konnte - viel größer, als Lucian vielleicht annahm. Drake
war ein ausgezeichneter Scharfschütze und verstand sich genauso gut darauf,
Bomben mit Fernzündung zu basteln.
Jaxon wandte das Gesicht ab und starrte durch das Fenster auf die
vorüberziehenden Straßen. Selbst nachts wimmelte es auf den Bürgersteigen von
Menschen. Das Schema, nach dem das Leben in der Großstadt ablief, war Jaxon
mehr als vertraut. Das Auf und Ab der Verbrechensrate, das von Wetter,
Tageszeit und Monat abhing, war immer der zentrale Punkt ihres Lebens gewesen.
Jetzt fühlte sie sich der Welt, die sie gekannt hatte, entfremdet. Sie konnte
Dinge hören, die sie nie zuvor gehört hatte, eine Flut von Geräuschen, vom
Zirpen der Insekten bis zu geflüsterten Gesprächen. Manchmal war der Ansturm
auf ihr Gehör beinahe mehr, als sie aushalten konnte, bis ihr wieder einfiel,
wie sie die Lautstärke senken konnte. Sie nahm Dinge wahr, die ihr früher
entgangen waren. Die Beschaffenheit von Oberflächen, Farben, alltägliche
Kleinigkeiten wie das Kitzeln von Haaren an ihrer Wange. Das Schlagen von
Herzen. Das
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