Dunkler Rausch der Sinne
klar, dass das, was er ihr sagte, von viel größerer Bedeutung
war, als es oberflächlich gesehen erschien. Sie nahm die Hand, die er ihr
hinhielt, als sie aus dem riesigen Wagen stieg. »Nimm bitte zur Kenntnis, dass
ich nie wieder in diesem Ding fahren werde. Es ist so eine Verschwendung, dass
es schon Sünde ist. Und falls du nicht Auto fahren kannst, ich kann es sehr
gut.«
Der Chauffeur räusperte sich und versuchte tapfer, sein Grinsen zu
verbergen. »Verzeihung, Miss, aber Sie wollen mir doch nicht meinen
Lebensunterhalt nehmen, oder?«
Sie legte den Kopf zur Seite und musterte den Mann mit erfahrenem
Blick. Er bewegte sich wie ein Boxer und seine Körperhaltung war mustergültig.
Unter der albernen Uniform verbargen sich kräftige Muskeln. Was dieser Mann
auch sein mochte, ein Chauffeur war er nicht. »Wie heißen Sie ?« Mit dieser
Information sollte es relativ leicht sein, mehr über ihn herauszubekommen.
Er grinste sie an, tippte an seine Mütze und setzte sich wieder in den
Wagen.
»Angsthase«, murmelte sie in die Nacht. Sie blickte zu Lucian, der
regungslos wie eine Statue neben ihr stand. »Nun zu dir. Was mache ich bloß mit
dir?«
»Ich bin es nicht, der in Gefahr ist, mein Engel. Du bist es.« Seine
Hand stahl sich zu ihrem Nacken und drängte sie sanft zu den Stufen, die zur
Vordertür führten.
»Es
kommt nicht darauf an, hinter welchem von uns beiden sie her waren, Lucian«,
erklärte sie geduldig. »Du wärst derjenige gewesen, den sie erwischt hätten.
Ich habe versucht, dich aus dem Weg zu schaffen, aber du bist einfach wie ein
Felsbrocken, wenn du auf stur schaltest.«
»Es bestand keine Gefahr, Jaxon. Sie haben miserabel gezielt. Ziemlich
unklug von ihrem Boss, drei so schlechte Schützen auf dich anzusetzen, findest
du nicht?« Er stand dicht genug neben ihr, dass sie die Wärme seiner Haut
spüren konnte, obwohl nur seine Hand auf ihrem Nacken ruhte.
Jaxon hörte sich lachen. Das Geräusch überraschte sie. Lucian wirkte
so gelöst. Nichts brachte ihn aus der Ruhe, nichts ärgerte ihn. Seine Stimme
war unverändert sanft und schön, als könnte er im Leben nicht für irgendwelche
Tricks oder Missetaten verantwortlich sein.
Er langte an ihr vorbei, um die schwere Eingangstür aufzustoßen. Ganz
kurz ruhte seine Hand auf ihrer Schulter, dann ließ er sie sinken und trat ein
Stück beiseite. »Diesmal bist du nicht verwundet. Retrittst du mein Haus aus
freiem Willen?« Er klang sehr ernst, und sein Ton ließ ihr Herz schneller
schlagen.
Aus irgendeinem Grund zögerte sie und blieb vor der Tür stehen. Sie
konnte die Eingangshalle sehen, die Marmorfliesen auf dem Fußboden. Der Raum
lockte sie, zog sie an, als wäre er eine Zuflucht. Warum hatte er sie so
formell gefragt? Warum verhielt er sich nicht einfach still und ließ sie
eintreten? Jaxon drehte seine Worte im Geist hin und her. Sie klangen wie eine
Formalität, fast wie ein Ritual. Dass Lucian jetzt schwieg, bestärkte sie in
ihrem Verdacht, dass hier irgendetwas vorging, das sie nicht verstand.
Jaxon drehte sich zu ihm um und legte den Kopf zurück, um ihm in seine
schwarzen Augen zu sehen. Sie schienen seelenlos. Verloren. Allein. Groß und
aufrecht stand er ganz still da, das Gesicht im Schatten. »Gibt es dir in
irgendeiner Weise Macht über mich, wenn ich freiwillig eintrete?« Sie stellte
fest, dass sie reichlich nervös klang.
Er lachte sie nicht aus, wie sie befürchtet hatte. Er hielt einfach
ihrem Blick stand, ruhig und unverwandt. Jaxon befeuchtete ihre Lippen, die
auf einmal sehr trocken waren. »Sag mir bitte die Wahrheit. Bindet es uns
irgendwie aneinander oder bewirkt es, dass ich hier eine Gefangene bin?«
»Wenn du mich so sehr fürchtest, warum glaubst du, dass ich dir die
Wahrheit sagen würde, nur weil du mich darum bittest?«
»Ich weiß es einfach.« Sie hob leicht die Schultern. »Manche Dinge weiß
ich eben, und ich weiß, dass du mich nicht belügen würdest. Also sag es mir.«
»Ich habe uns beide bereits mit den rituellen Worten aneinander
gebunden. Du kannst mich ebenso wenig verlassen, wie ich dich verlassen
könnte.«
Sie blinzelte. »Rituelle Worte?« Bevor er etwas erwidern konnte,
schüttelte sie den Kopf. »Nein, lass das jetzt. Ich will mich nicht ablenken
lassen. Werde ich eine Gefangene sein?«
»Was das angeht, so kannst du kommen und gehen, wie es dir behebt.«
Jaxon sah ihn weiter unverwandt an. Lucian lächelte langsam, jenes
verschmitzte, jungenhafte Lächeln, das ihm
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