Dunkler Rausch der Sinne
vermutlich oft aus der Klemme half.
»Es sei denn natürlich, es besteht Gefahr für dich.«
»Ich kann es kaum erwarten zu erfahren, wer hier bestimmt, was eine
Gefahr darstellt. Du machst es mir nicht leicht. Ich habe keine Ahnung, warum
ich zulasse, dass du einfach in mein Leben spazierst und das Kommando
übernimmst. Und noch etwas, Lucian« - sie lächelte ihn zuckersüß an - »ich bin
nicht dasselbe wie du. Was du auch sein magst - und im Moment will ich es gar
nicht wissen -, deine rituellen Worte können uns nicht aneinander binden. Was
Beziehungen angeht, treffe ich meine Entscheidungen selbst. Ja, ich werde dein
Heim aus freiem Willen betreten.«
Sie trat über die Schwelle und geriet fast sofort in leichte Panik.
Irgendetwas tief in ihrem Inneren regte sich und erwachte zum Leben. Das
Gefühl war so ausgeprägt, dass sie sich beinahe umgedreht und die Flucht
ergriffen hätte, ohne den Grund dafür zu kennen. Irgendetwas sagte ihr, dass
ihr Körper, ihr Herz und ihre Seele diesen Ort und diesen Mann kannten, obwohl
das unmöglich war.
Lucians hochgewachsene Gestalt versperrte die Tür. Er legte einen Arm
um ihre schmale Taille und hielt sie fest, mit ungeheurer Kraft und doch so
sanft, als ob er ihr nie wehtun könnte. »Was ist los?«
»Ich weiß es nicht. Ich fühle mich, als wäre ich nicht mehr ich selbst.
Als würde irgendjemand anders langsam die Herrschaft über mich übernehmen. Bist
du das?« Sie versuchte nicht, sich aus seinem Griff zu befreien. Sie war sich
nicht einmal sicher, ob sie es überhaupt wollte. Ihre großen Augen forschten
eindringlich in seinem Gesicht.
»Ich würde nie den Wunsch haben, dich zu beherrschen. Du bist genau
die, die du sein solltest. Jeder von uns hat soviel Zeit allein verbracht, dass
es vielleicht seltsam scheint, einem anderen so nahe zu sein. Aber wir sind
füreinander bestimmt und daran werden wir uns gewöhnen.«
Sie schmiegte sich an ihn, während sie sich umwandte, um die große
Eingangshalle zu betrachten. »Ich habe das Gefühl, dass ich hierher gehöre,
dass ich diesen Ort kenne.«
»Du gehörst hierher. Mach einen Erkundungsgang. Wenn du irgendetwas
verändern willst, zögere nicht, es zu tun.« Er ließ seinen Arm sinken, sodass
sie sich frei bewegen konnte.
Das Haus war noch schöner, als Jaxon es von ihrem ersten Eindruck in
Erinnerung hatte. Sie versuchte, nicht allzu große
Augen zu machen, während sie
sich umsah. Bei ihrer Arbeit als Polizistin hatte sie mehr als ein Herrenhaus
gesehen, aber das hier fiel völlig aus dem Rahmen. In gewisser Weise beschwor
es den Charme der alten Welt herauf, die Eleganz einer längst vergangenen
Zeit. Es gab sogar einen Ballsaal mit einem Parkettboden zum Tanzen. Ihr
Lieblingszimmer war die Bibliothek, ein behaglicher Raum mit einem großen
offenen Kamin, vor dem zwei bequeme Ohrensessel und ein antiker Lesetisch standen.
An drei Wänden zogen sich Bücherregale entlang, die bis zur Decke reichten und
deren oberste Fächer nur mit einer Bibliotheksleiter zu erreichen waren. Jaxon
entdeckte alle möglichen Bücher, alte und neue, Romane ebenso wie wissenschaftliche
Werke. Ihr fiel auf, dass die Bücher, von denen einige sehr alt zu sein
schienen, in mehreren Sprachen vorhanden waren. Es war eine wahre Fundgrube an
literarischen Schätzen, und sie hatte das Gefühl, dass sie durchaus einen
Großteil ihres Lebens glücklich und zufrieden in diesem Zimmer verbringen
könnte.
Das Haus war viel größer, als sie sich vorgestellt hatte, noch
weitläufiger, als es von außen schien. Allein die Küche war größer als ihre
ganze Wohnung.
Lucian tauchte so lautlos hinter ihr auf, dass sie beinahe einen Satz
gemacht hätte. »Es ist nicht mehr deine Wohnung. Ich habe deiner Vermieterin
gesagt, dass du kündigst.« Er sagte es leise und bewies mit seiner Bemerkung,
dass er immer noch ein stiller Schatten in ihrem Denken war.
»Das hast du nicht!« Jaxon fuhr herum, die Hände in die Hüften
gestemmt, und funkelte ihn herausfordernd an.
»Doch, natürlich. Du gehörst nicht dorthin. Du hast nie dorthin
gehört«, antwortete er freundlich.
»Ich weiß, dass du es nicht wagen würdest, meine Wohnung aufzugeben. So
etwas findet man nicht leicht, schon gar nicht bei meinem Gehalt.« Jaxon
starrte ihn an und versuchte seinen Gesichtsausdruck zu deuten. »Das kannst du
einfach nicht getan haben, Lucian.« Sie versuchte eher sich selbst zu überzeugen
als ihn. »Außerdem hätte meine Vermieterin sicher darauf bestanden,
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