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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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passiert war; darüber, was er sagen oder, genauer gesagt, nicht sagen konnte.
    »Andreas ist letzte Nacht nicht nach Hause gekommen. Ich wollte ihn um acht Uhr wecken, aber er war nicht da. Du warst doch gestern abend mit ihm in der Stadt?«
    »Ja«, sagte er und schaute über seine Schulter zurück. Ihm ging auf, daß die Antwort, die er jetzt gab, sehr wichtig war. Wichtig für das, was noch kam, nach allem, was sie angestellt hatten. Das Kind in dem blauen Wagen, die Oma in dem weißen Haus. Irgend etwas Schreckliches war passiert, er begriff nur nicht, was. Begriff die Alte nicht, die die ganze Zeit im Nachthemd am Tisch gesessen hatte. Und Andreas, der nicht wieder aus dem Haus gekommen war.
    »Du warst mit ihm zusammen. Wo wart ihr?« Ihre Stimme klang plötzlich scharf.
    »Wir waren hier. Bei mir.«
    Das Video lag im Keller auf dem Tisch. Und hier stand er und sagte die Wahrheit, jawohl.
    »Erst waren wir in der Kneipe. Danach haben wir uns hier bei mir einen Film angesehen. ›Bladerunner‹«, erklärte er. »Und dann waren wir noch ein bißchen unterwegs.«
    »Was?« Jetzt hörte sie sich unsicher an. »Er ist heute nacht nicht nach Hause gekommen«, wiederholte sie. »Weißt du, wo er ist?«
    »Nein«, sagte Zipp, klar und deutlich, weil es die Wahrheit war und weil es ihn erleichterte, das sagen zu können. »Nein, ich habe keine Ahnung, wo er ist. Ich wollte ihn in der Arbeit anrufen. Und da hieß es, daß er nicht gekommen ist.«
    »Du hast es also gewußt? Ich war bei der Polizei«, sagte sie mit fester Stimme. »Er muß allmählich lernen, Verantwortung zu übernehmen. Immerhin ist er erwachsen. Oder sollte es zumindest sein. Aber letzte Nacht – wann habt ihr euch getrennt? Und wo genau wart ihr?«
    Zipp dachte fieberhaft nach. »Wir sind durch die Stadt gezogen. Waren auf dem Marktplatz und so.«
    »Ja. Und dann?«
    »Ach, gar nichts. Sind einfach rumgelaufen. Gegen Mitternacht haben wir uns getrennt«, fügte er hinzu.
    Gegen Mitternacht. Das klang plausibel. Gegen Mitternacht, da hatten sie die Oma entdeckt. Vor dem Optikerladen.
    »Und wo habt ihr euch getrennt?«
    »Wo?« Verdammt, wollte sie denn alles wissen? »Ach, wo? In der Thornegata, glaube ich.«
    Das war ihm so herausgerutscht. Warum hatte er das gesagt? Weil Andreas ihm aufgetragen hatte, die Straße zu verlassen und sich durch die dunklen Gärten zu schleichen, während er selbst der Oma auf den Fersen blieb?
    »In der Thornegata? Was wolltet ihr denn da?«
    »Nichts«, sagte er und ärgerte sich. Über Mütter, weil sie alles wissen wollten, weil sie eine Art Recht darauf zu haben schienen, zu fragen und zu bohren.
    »Aber – die Thornegata. Seid ihr denn nicht zusammen nach Hause gegangen? Wo wollte Andreas hin?«
    »Weiß nicht. Wir sind doch einfach nur herumgelaufen«, sagte Zipp noch einmal.
    »Ist irgendwas vorgefallen?« Nun klang sie ängstlich. »Wart ihr betrunken, Zipp?«
    »Nein, nein. Das waren wir nicht.«
    »Ist er jemandem begegnet?«
    »Nicht, daß ich wüßte.« Er wollte nur noch auflegen. Diese Quälerei hinter sich bringen. »Sagen Sie ihm, er soll mich anrufen, wenn er auftaucht«, bat er. »Und sagen Sie ihm, daß ich ihn richtig rannehmen werde.«
    Als er auflegte, dachte er an die andere Bedeutung des Ausdrucks »rannehmen«. An das, was Andreas bei der Kirche mit ihm vorgehabt hatte. Er hätte das Wort gern zurückgezogen, aber jetzt war es gesagt. Von nun an wird es schwierig, dachte er.
    Die Spülbürste in der Hand, stand seine Mutter in der offenen Tür. Wasser und Seife tropften auf den Boden. »Na?«
    »Frau Winther«, antwortete er kurz. »Hat Andreas als vermißt gemeldet.«
    »Ach?«
    »Will sich sicher nur rächen. Er ist ja schließlich erwachsen.«
    »Andreas ist ja auch ziemlich eigen«, sagte sie und starrte ihn unergründlich an.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine nur, daß er ziemlich eigen ist. Sicher hat er sich irgendeine fixe Idee in den Kopf gesetzt.«
    »Davon hast du doch keine Ahnung!«
    Der Ausbruch überraschte ihn selbst. Und seine Mutter auch. Sie gab auf und ging wieder in die Küche. Er schnappte sich die Zeitung, stürmte die Kellertreppe hinunter und fing noch einmal zu lesen an. Einen Artikel nach dem anderen, Seite für Seite, die Zeitung war umfangreich, er hatte lange zu tun. Er fand nichts über eine Frau mit einem Kinderwagen. Und auch nichts über die Oma. Aber wie hätte das auch möglich sein sollen? Das alles war doch nach Redaktionsschluß passiert.
     
    »Das

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