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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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»Kannst du nicht erklären, wer du bist? Was du hier wolltest? Damit ich es verstehen kann?«
    »Du würdest das nicht verstehen«, flüsterte er. »Niemand wird das verstehen.«
    »Du gibst mir ja keine Chance. Es gibt immer eine Erklärung. Die macht es leichter, alles zu ertragen.«
    Er schniefte ein wenig. »Ich bin nicht schlimmer als andere.«
    Ich runzelte die Stirn. »Ich kenne viele, die nie bei einer einsamen Frau eindringen würden. Mit Messer und überhaupt. Du darfst dein Verhalten nicht bagatellisieren, Andreas.«
    »Ich mußte das tun«, flüsterte er. »Ich hatte mir selbst alles genommen. Hatte es auf dem Friedhof liegenlassen. Ich mußte etwas finden – etwas tun. Weil er mich so gesehen hatte, wie ich bin. Zipp. Er hatte mich gesehen. Und dann kamst du. Ich brauchte dich.«
    »Nein. Du hast dich für mich entschieden. Ich will wissen, warum.«
    »Ich mußte weiter, kapierst du nicht? Mußte in dein Haus und wieder herauskommen, als – etwas anderes.«
    »Als schnöder Verbrecher?«
    »Nein! Das Alte hatte ich auf dem Friedhof zurückgelassen. Ich brauchte etwas Neues.«
    »Ich verstehe dich nicht. Du sagst so seltsame Dinge.«
    »Du hast keine Hilfe geholt«, sagte er leise. »Du hast dich dagegen entschieden. Warum?«
    »Ich habe mich nicht entschieden. Ich habe versucht zu verstehen.«
    »Nein, solche wie du können sich nicht entscheiden. Die können nur abwarten. Und dann kommt niemand. Das macht einen verrückt, nicht wahr, Irma?«
    Daß er so unverschämt sein konnte, wo ich nun endlich Hilfe holen wollte! Bei Gott, und Hilfe würde er bekommen. Pflege und Fürsorge. Gerechte Behandlung. Er war ja noch so jung. Eine unbedeutende Strafe. Einen eigenen Psychologen. Ich mußte noch einmal zuschlagen.
    »Gerade deine Entscheidungsfreiheit hat dich zerstört, Andreas.«
    »Ich habe mich nie entscheiden dürfen.«
    »Das sehe ich anders.«
    »Es gibt vieles, was du nicht weißt.«
    »Ich verlasse dich jetzt. Vielleicht hast du etwas gelernt. Und läßt von nun an andere in Ruhe.«
    »Ich habe niemandem etwas getan«, sagte er leise.
    Ich räusperte mich drohend.
    »Das hier war das erste Mal«, fügte er hinzu. »Ist mir scheißegal, ob du mir glaubst oder nicht. Ich weiß, wer ich bin.«
    »Sieh an! Und bringt dir dieses Wissen etwas?«
    »Ja«, murmelte er. »Es hat seine Zeit gedauert, aber jetzt weiß ich es.«
    Ich schwieg und seufzte. Niemand ist so klug wie die jungen Leute, die gerade erst anfangen zu verstehen.
    »Wohin gehst du?« fragte er leise.
    »Weg. Ich muß mich nur noch anziehen.«
    »Aber wohin willst du?«
    »Weg«, sagte ich nur.
    »Das ist doch nicht nötig«, sagte er müde. »Ich nehme die Schuld auf mich.«
    Ich brauchte eine Weile, um die Bedeutung seiner Worte zu erfassen. Und dann wurde es mir zuviel. Zitternd stand ich auf. »DU NIMMST DIE SCHULD AUF DICH? DA HAST DU ETWAS WICHTIGES ÜBERSEHEN, ANDREAS! DIE SCHULD LIEGT BEI DIR! HAST DU DAS VERSTANDEN?«
    Erschrocken kniff er die Augen zusammen. In alten Omas steckt mehr Kraft, als junge Männer ahnen. Sie sollten sich in acht nehmen. Ich zitterte noch immer und stellte mich breitbeinig hin, um nicht vor Aufregung umzukippen. Plötzlich fing er an zu weinen. Tränen und Rotz strömten über sein Gesicht. Er roch, ein unangenehmer, süßlicher Geruch, der von seiner Kopfwunde herrührte. Und den sein ungewaschener Leib aussandte. Es roch nach Schimmel und Kartoffeln und verbranntem Staub von der rotstrahlenden Heizsonne. Ach, wie er weinte! Es war wichtig für mich, das zu hören, jetzt, ehe ich ging. Es mit mir zu nehmen. Doch er hörte bald wieder auf.
    »Du rufst überhaupt nicht an. Du hältst dein Wort nicht. Du bist feige und verrückt und ganz und gar unberechenbar.«
    Ich biß mir so fest auf die Unterlippe, daß mir Tränen in die Augen traten.
    »Du wolltest wissen, warum ich mich für dich entschieden habe? Weil du so häßlich bist, Irma.«
    Ich zitterte noch heftiger.
    »Häßlich und dick. Und dein Darm hängt dir vorm Bauch. Niemand kann eine wie dich lieben!«
    »Jetzt hältst du den Mund!« Ich richtete mich auf und schrie.
    »Und deine Krampfadern schimmern durch die Strümpfe. Ja, Scheiße, die sind so groß wie Trauben.«
    Ich hätte ihn mit bloßen Fäusten totschlagen mögen. Er war so unendlich häßlich, als er das sagte. Ich verlor die Beherrschung, ich fuchtelte mit den Armen und sah lächerlich aus, das merkte ich, aber ich kam nicht gegen meinen Zorn an. Ich mußte zerstören und schlagen,

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