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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Minute gesprochen.«
    »Sie haben Andreas also nicht gesehen?« fragte Skarre und hielt ihren Blick fest, so gut er konnte.
    »Doch, oft«, sagte sie kurz. »Er hat mich nicht interessiert.«
    Sie ist nicht ganz klar im Kopf, befand Skarre. »Meinen Sie, er könnte in irgendwelche Schwierigkeiten geraten sein?« fragte er harmlos.
    »Allerdings. Ich weiß, daß Runi etwas anderes sagt, sie hat mich gebeten, für ihn ein gutes Wort einzulegen. Aber Sie wollen doch sicher die Wahrheit wissen.«
    »Unbedingt.« Skarre schaute sich in der blauen Küche um, sah die beiden Türen, die vielleicht zu Bad und Schlafzimmer führten. Die Stimme am Telefon. Dieselbe Stimme. Er war ganz sicher. Warum war sie auf die Wache gekommen? Was versuchte sie ihm zu erzählen? »Unbedingt will ich die Wahrheit wissen.«
    »Ihm ist so ziemlich alles zuzutrauen. Ihm und seinem Freund, mit dem er immer zusammenhockt.«
    »Kennen Sie den?«
    »Er nennt sich Zipp.«
    »Wir haben mit ihm gesprochen, aber er weiß nichts.«
    Irma Funder lächelte. »Das sagen sie immer. Die Zeit ist um.«
    Widerwillig stand Skarre auf. Etwas an diesem Haus war seltsam. Hier stimmte etwas nicht. Innerhalb der wenigen Minuten hatte er vieles gesehen. Ein Schreibheft und ein Kugelschreiber lagen auf dem Küchentisch. Neben dem Spülbekken standen drei Flaschen Chlorin. Zwei schwarze Säcke, vielleicht voller Abfälle, lehnten an der Wand. Als räume sie auf. Als wolle sie verreisen.
    »Warum sind Sie auf die Wache gekommen?« fragte er in scharfem Ton. »Warum haben Sie angerufen?«
    In diesem Moment hatte er das Gefühl, von einem Berg zu stürzen, ohne zu wissen, wie tief es hinunterging.
    Sie verdrehte die Augen. »Angerufen? Das würde ich nie im Leben tun.«
    Dann ließ sie die Hände sinken und sah ihn an. Ihr schwerer Körper zitterte leicht. »Ich habe nicht mehr lange«, sagte sie müde.
    Und dann sah er wieder diese Flamme hinter ihren Augen. Ihre Worte trafen ihn wie ein Schlag. Sie erwartete keine Antwort, es war eine Feststellung gewesen. Verzweifelt blieb er stehen und schaute in ihre Augen. Wie sollte er sich verhalten? Was sollte er machen? Gar nichts. Nur gehen und dem Chef Bericht erstatten. Die blauen Wände der Küche schlossen ihn mit diesem Menschen ein, und er hatte das Gefühl, daß sie einander näher rückten und daß der Raum enger wurde und daß alles draußen fern und vage wirkte. Die Aussicht durch das Küchenfenster, das schöne Gartenhaus und die große Birke, das alles war nur ein Bild. Hinter diesen blauen Wänden gab es nichts.
     
    »Der Abend hat also in der Kneipe angefangen«, begann Sejer. »Seid ihr hingegangen, um eure Nerven zu beruhigen?«
    »Keine Ahnung, wovon Sie reden«, sagte Zipp.
    Sie hatten ihn zum zweiten Mal geholt. Bedeutete das, daß sie mehr wußten? Hatte die Alte den Taschenraub angezeigt? Es ist anstrengend, dachte er, so lange am Abgrund zu stehen. Ich würde lieber abstürzen.
    »Sei so nett und erzähl mir noch mal, wann ihr euch getroffen habt.«
    »Wie gesagt. Um halb acht.«
    Sejer klopfte mit einem Kugelschreiber auf den Tisch. Der Ticklaut scheuchte Zipp auf.
    »Etwas verstehe ich nicht«, sagte Sejer langsam. »Ich verstehe nicht, warum du gerade in diesem Punkt lügst.«
    »Ich lüge nicht.«
    »Ihr habt euch schon viel früher getroffen. Und dann ist etwas passiert.«
    »Wir haben uns um halb acht getroffen.«
    »Nein. Andreas ist um halb sechs von zu Hause weggegangen. Und danach seid ihr durch die Stadt gefahren.«
    Zipp dachte verzweifelt nach. Wer konnte sie gesehen haben, abgesehen von der Alten in Furulund? Sollte ihm jetzt das tote Baby vorgehalten werden? Das er zwischendurch immer wieder hatte vergessen können. Diese Tatsache hatte ihm Hoffnung gemacht, daß dieses Ereignis eines Tages ausgewischt sein würde, unwirklich.
    »Dann lügt hier jemand«, sagte er mürrisch.
    Sejer ließ den Kugelschreiber los. »Ihr habt jemanden angehalten und nach dem Weg gefragt.«
    »Hä?«
    »Einen kleinen Jungen. Vielleicht habt ihr eure Scherze mit ihm getrieben.« Sejer starrte seine Hände an, als er sagte: »Vielleicht wolltet ihr ihm nur ein wenig Angst machen.«
    Zipp war so erleichtert, daß er fast losgelacht hätte.
    »Ja, natürlich. Einen kleinen Negerbengel. Wir haben ihn nicht gequält. Und wir sind ihm auf dem Weg zur Kneipe begegnet. Das muß kurz vor acht gewesen sein.«
    »Der kleine Negerbengel«, sagte Sejer langsam, »ist mein Enkel. Er hatte eine Armbanduhr. Ihr wart in einem

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