Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
Vom Netzwerk:
loshämmern, ich hatte plötzlich viel zuviel Kraft. Eine gewaltige Energie, die drohte, mich in Fetzen zu sprengen. Sie ging in Schmerz über, der wie Feuer brannte, und ich suchte in dem dunklen Keller nach etwas, das ich zerschlagen und zerstören konnte, aber ich fand nichts. Nur alte Kunststoffmöbel. Den Kartoffelkoben. Ein altes Fenster, das an der Wand lehnte. Und einen Werkzeugkasten. Der stand unter der Hobelbank. Offen. Ich zog einen Hammer mit einem Gummischaft heraus. Ging zurück, trat vor ihn. Und dann passierte es. Als ich dort stand und deutlich machte, daß ich hier die Stärkere war und daß er sich ja in acht nehmen sollte. Er lachte! Das war zuviel. Ich kann fast alles ertragen, nicht gesehen, nicht gehört, beschimpft und angepöbelt zu werden. Aber das nicht. Daß jemand lacht. Und deshalb schlug ich zu. Traf seine weiße Stirn, und sein Lachen verstummte sofort, endete in einem schwachen Stöhnen. Ich schlug noch einmal zu. Der Hammer traf einige Male auf den Boden, weiße Funken stoben hoch, wenn der Stahl auf den Zement schlug, und ich holte weiter aus, spürte, daß das, was sich unter meinem Hammer befand, sich verformte und langsam weich wurde. Plötzlich sah ich in der alten Fensterscheibe mein Gesicht. Er hatte recht. Ich war häßlich. Also schlug ich weiter, bis ich keine Kraft mehr hatte. Das tat gut. Danach war ich leer. Mein Körper fand langsam Ruhe. Ich schaute mich mit brennenden Augen um. Hörte ein leises Seufzen. Ob das von Andreas stammte, von seiner letzten Lungenbewegung, oder ob jemand uns zusah, wußte ich nicht. Sollten sie doch! Lange stand ich mit erhobenem Hammer da und starrte in die Schatten.
     
    Zipp konnte in dem schwarzen Fernsehschirm seinen eigenen Umriß erkennen. Der sah feige aus und verschwommen. Er trampelte die Treppe hoch und knallte die Tür zu. Endlich hatte er sein Ziel klar vor Augen. Das weiße Haus mit den grünen Fensterrahmen. Hatte er nicht einem höllischen Druck widerstanden? Verfügte er nicht über ungeheure Kraft? Diesmal würde er sich nicht mit Gerede abspeisen lassen, er würde sich dieses Haus ansehen, zum Henker. Mit energischen, zielstrebigen Schritten stieg er den steilen Hang hinauf. Und wenn er einbrechen und die Oma überwältigen mußte, er würde die Wahrheit herausfinden! Er war in seinem Leben noch nicht oft entschlossen gewesen, aber dieses Gefühl, diese Sicherheit, gefiel ihm. Er konnte alles schaffen! Nach einer Viertelstunde sah er das Tor. Dann hörte er eine Tür. Rasche Schritte knirschten im Kies. Sie war es. Die alte Funder. Er schaute hinter ihr her, als sie davontrottete, dann verschwand er im Garten. Lief die Treppe hoch, faßte an die Türklinke, die Tür war natürlich abgeschlossen. Er schlich sich hinter das Haus. Stellte fest, daß niemand den Garten einsehen konnte. Mit einem Stemmeisen hätte er ein Kellerfenster öffnen und ins Haus steigen können. Aber er hatte kein Stemmeisen. Im Rosenbeet lag ein Stein von der Größe eines Kohlkopfes. Er drehte ihn um, wischte ein widerliches Kriechtier weg. Ging in die Knie. Versuchte, durch die Fenster zu schauen. Eins war mit einem Sack oder so etwas verhängt. Durch das andere konnte er etwas sehen, wenn er die Hände wie ein Fernrohr vor sein Auge hielt. Dann hob er den Stein und schlug die Scheibe ein. Es klirrte nicht sehr laut. Er brauchte eine Weile, um die restlichen Scherben aus dem Rahmen zu schlagen. Dann steckte er beide Füße durch die Öffnung, drehte sich um und ließ sich fallen. Er fiel ziemlich tief. Er ging in die Knie und wischte sich Hose und Hände ab. Drehte sich langsam um, schaute auf eine Tür. Wartete noch, bis er sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte. Regale mit Flaschen und Gläsern. Ein alter Schlitten, ein morscher Sonnenschirm. Und eine Tür. Die er mit klopfendem Herzen öffnete. Sie war schwer und führte in einen weiteren Raum. Ein seltsam schwelendes rotes Licht durchbrach die Dunkelheit. Es war warm in dem Raum, und es stank. Er machte einige unsichere Schritte, sein Herz flatterte unter seiner Jacke wie ein kleiner Vogel. Er tastete sich mit den Händen an der Wand entlang und machte einen zögernden Schritt nach dem anderen. Suchte einen Lichtschalter. Plötzlich stieß er gegen etwas Weiches. Es gab unter seinem Fuß nach und raschelte seltsam. Er blieb stehen. Da lag etwas auf dem Boden. Was zum Teufel war hier los? Er wich zurück, blieb stehen und lauschte. Dann machte er vorsichtig einen Schritt in die andere Richtung.

Weitere Kostenlose Bücher