Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
Vom Netzwerk:
sagte er leise. »Auch wenn ich Ihnen nicht helfen kann. Und in dieser Hinsicht war es mir peinlich, Sie herzubitten. Aber wenn Sie unverrichteter Dinge wieder gehen, werden Sie es vielleicht bedauern, und dann wird Ihnen das Erinnern noch schwerer fallen.«
    »Der eine trug eine Mütze.«
    Das kam leise und widerwillig.
    »Eine Mütze?« fragte er rasch. »Lassen Sie mich raten. Die war sicher rot.«
    Er sah die Andeutung eines Lächelns, als sie sagte: »Nein, blau. Mit weißer Schrift. Und einem kleinen weißen Kreuz. Hören Sie? Einem weißen Kreuz.«
    Er spürte, daß das Eis gebrochen war. Zum ersten Mal wirkte sie etwas entspannter.
    »Sie fuhren ein kleines grünes Auto. Der eine war groß und sehr schlank, hatte sehr lange Beine. Und ein gelbes Hemd. Seine Haare konnte ich nicht sehen, die steckten unter der Mütze. Er sah gut aus. Hatte helle Augen, blau oder grün. Und eine weite Hose an. Das ist mir aufgefallen, als sie zum Auto gelaufen sind, sie flatterte nur so um seine Beine. Und er trug schwarze Schuhe.«
    Sejer starrte sie an. Ohne die kleinste Unsicherheit hatte sie ihn beschrieben. So hatte er ausgesehen.
    »Und der andere?« stammelte er, während in seinem Kopf eine Uhr zu ticken begann.
    »Der andere war kleiner und eher untersetzt. Blonde Haare, enge Jeans, Turnschuhe. Er hat versucht, den Wagen anzuhalten«, sagte sie nach einem kurzen Stocken. »Aber das hat er nicht mehr geschafft.«
    Irgend etwas klang seltsam vertraut. Was war es? Warum ärgerte ihn plötzlich etwas, warum sagte das Ticken im Hintergrund, hier, hier ist es, um Himmels willen, siehst du das denn nicht?
    »Alter?« flüsterte er, während er sich anstrengte, die seltsamen Signale zu deuten, die ihm durch den Kopf wirbelten. Wenn ich tief Luft hole, dachte er, verschwindet alles. Deshalb blieb er lange fast ohne Sauerstoff.
    »Achtzehn bis zwanzig, schätze ich.«
    Er notierte die Details in kurzen Stichwörtern. Und empfand das gute Gefühl, das sich einstellte, wenn Punkte und Striche lange vor seinen Augen getanzt hatten. Sie sammelten sich zu einem Muster. Klar, deutlich, beinahe schön. Ein warmer Schauer überlief ihn, und er merkte, daß er das genoß.
    »Über das Auto können Sie nichts Genaueres sagen?« Er gab sich alle Mühe, sachlich zu klingen, aber leicht fiel ihm das nicht.
    »Ich kenne mich mit Autos nicht aus«, sagte sie leise. »Für mich sieht eins aus wie das andere.«
    »Aber es war klein?«
    »Ja. Ein kleines, älteres Auto.«
    Auch das notierte er. »Diese Stadt ist nicht groß. Wir werden sie finden«, sagte er voller Überzeugung.
    »Dann werden Sie sich sicher freuen.« Sie lächelte.
    Für einige Sekunden war das tote Kind vergessen gewesen, und sofort stach ihr Schuldgefühl zu. Daß sie einen Moment nicht an das Kind gedacht hatte. Dieser Verrat!
    »Er wird jetzt obduziert«, sagte sie verbittert. »Und wenn sie fertig sind, muß ich glauben, was sie mir erzählen. Wenn sie sich nun irren?«
    »Sie meinen, was die Todesursache angeht? Das sind Fachleute«, sagte er. »Sie müßten sich auf sie verlassen können.«
    »Jeder kann sich irren«, flüsterte sie. »Ich hätte den Wagen nicht loslassen dürfen.«
    »Sie sind überfallen worden«, sagte er heftig.
    »Nein«, erwiderte sie müde. »Sie haben mir die Tasche gestohlen, das war alles. Die alte Tasche, als ob die wichtig wäre. Vierhundert Kronen. Und ich habe den Wagen losgelassen. Obwohl wir doch am Strand waren. Ich begreife das nicht.«
    »Warum haben Sie sie nicht sofort angezeigt?«
    Er stellte diese Frage nur ungern, aber sie drängte sich einfach auf.
    »Es kam mir so unwichtig vor. Ich konnte nur an den Kleinen denken. Daran, daß er unentwegt schrie. Außerdem«, sie sah ihn an, »was hätten Sie unternommen? Eine Akte über die Sache angelegt? Und irgendwann die Ermittlungen eingestellt, aus Mangel an Beweisen?«
    »Ja«, gab er zu. »Aber die Gesellschaft bricht auseinander, wenn solche Vorkommnisse nicht mehr gemeldet werden. Machen Sie sich keine Gedanken über unsere Arbeitsbelastung, sondern sagen Sie Bescheid, wenn etwas passiert! Und je mehr Anzeigen eingehen, desto größer sind die Aussichten, daß uns mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden. Sie sind geradezu verpflichtet, solche Vorkommnisse zu melden.«
    Sie stieß einen Laut aus, bei dem es sich vielleicht um ein Lachen handelte, er wußte es nicht.
    »Ich lache nicht über Sie«, sagte sie. »Sondern über alles andere. Daß wir hier herkommen, daran können wir

Weitere Kostenlose Bücher