Dunkler Spiegel
können, und vorzugsweise an einen Ort, an dem wir nicht gestört werden.«
»Noch ein Problem«, fügte Geordi hinzu und umriß schnell ihre Schwierigkeiten, in den Computerkern hereinzukommen. »Um die Informationen zu bekommen, die wir brauchen, ist der Stimmabdruck und der Zugriffskode der Sicherheitschefin oder des Captains erforderlich. Die Counselor hat bestenfalls eine Chance von eins zu fünf, das richtige Paßwort zu nennen, ohne augenblicklich das gesamte System und wahrscheinlich auch ihr Gegenstück zu warnen. Aber der Captain könnte der Sicherheitschefin befehlen, die Informationen freizugeben... glaube ich zumindest.«
Troi sah ihn an, öffnete den Mund und schloß ihn wieder, als ihr klar wurde, was er vorgeschlagen hatte. Daß auch Captain Picard hier herüberbeamen sollte...
»Wir sehen keine andere Möglichkeit, vom Computer das Material zu bekommen, das wir brauchen«, fuhr Geordi fort. »Die Sicherheitsprogramme sind phänomenal – überall, auf allen Ebenen, sind Sperren eingebaut. Wenn Sie möchten, daß wir uns zurückziehen, tun wir das. Aber ich befürchte, sobald sie mit Sicherheit wissen, daß ein Crewmitglied verschwunden ist, werden sie die Schilde heben – und danach wird keiner mehr herein- oder hinauskönnen. Ihnen bleiben also fünf Minuten, um uns einen Besuch abzustatten oder uns hier herauszuholen. Wir erwarten Ihre Befehle. LaForge Ende.«
Er berührte den Kontrollschalter des isolinearen Chips und legte ihn auf den Boden: Er verschwand in einem funkelnden Transportereffekt.
Sie starrten auf die Stelle, auf der er gelegen hatte, und warteten.
Picard saß in seinem Bereitschaftsraum – dieser Ort war genausogut wie jeder andere, um nervös zu sein und es mehr oder weniger zu verheimlichen. Sein Tee war kalt geworden; angesichts des Materials, das das Außenteam vor kurzem herübergebeamt hatte, hatte er ihn völlig vergessen. Die Soziologen und Historiker analysierten es bereits, doch er konnte es sich kaum leisten, einfach abzuwarten, was sie dazu zu sagen hatten: Er hatte das historische Material über Starfleet kopiert und überflogen. Picard war davon gleichermaßen entsetzt wie fasziniert – fasziniert von den seltsamen Abweichungen, entsetzt darüber, daß er nicht wußte, wo genau er ansetzen sollte. Das Gefühl wollte einfach nicht verschwinden, daß in dem Abriß lebenswichtige Informationen begraben waren, die zur Lösung ihres Problems beitragen konnten. Und derweil bewirkte das anhaltende Schweigen seines Außenteams, daß ihm immer wieder die Nackenhaare zu Berge standen, obwohl er es selbst angeordnet hatte und obwohl es bedeutete, daß den beiden noch nichts passiert war.
Er seufzte und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Geschichte der anderen Sternenflotte. Es war ein fesselnder Lesestoff – und ein entsetzlicher. Die Flotte des anderen Universums schien ihre Wurzeln in dem Chaos zu haben, das die Eugenischen Kriege umgab. Khan Noonian Singh und seine genetisch erzeugten Gefährten waren in diesem Universum nicht gestürzt und vertrieben worden, sondern hatten mehrere Reiche auf mehreren Kontinenten beherrscht, bis sie sich schließlich in einem mörderischen Krieg gegeneinander wandten und mit Atomwaffen gegenseitig auslöschten (ganz zu schweigen von einer großen Anzahl anderer Menschen). Diese Waffen wurden nicht von Raketen befördert, gegen die alle Seiten ausreichenden Schutz hatten, sondern von großen, langsamen ionengetriebenen Flugkörpern, die auf den Dy-100-»Schläfern« basierten und so manövrierfähig waren, daß sie jeder Flugabwehrrakete und jedem Partikelstrahl ausweichen konnten, der verhindern sollte, daß sie ihr Ziel erreichten. Die zugegebenermaßen brillanten Wissenschaftler der verschiedenen kriegführenden Seiten nahmen zahlreiche Verbesserungen am Ionenantrieb vor. Als der Staub sich über die Gräber der Sieger und Besiegten gesenkt hatte, blieb die Technik erhalten – ein Antriebssystem, das die Raumfahrt im Sonnensystem ermöglichte, ja sogar die relativistische Raumfahrt, auch wenn die sich als Sackgasse erweisen sollte.
Picard griff automatisch nach seinem Tee, stellte
fest, daß er kälter denn je war, und trank trotzdem einen Schluck, während er weiterlas. Die Kulturen, die sich aus der radioaktiven Asche des Untergangs der Genetisch Erzeugten erhoben, verloren niemals ganz die Erinnerung an ihre kleinen Reiche, an eine Zeit, als die Menschen zu ihrem Besten von mächtigen Männern und Frauen
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