Dunkler Spiegel
wieder durch die Finger, zum Amüsement derjenigen, die sie ergriffen und geprüft hatte... zu ihrer müßigen, haßerfüllten Erheiterung. Besonders ein Gedanke ließ sie stolpern, während er um die Kontrolle kämpfte und versuchte, sie hinauszuwerfen. Die Finger des tastenden Geistes schlossen sich um ihn, ergriffen ihn, hoben ihn hoch, hielten ihn in das grelle Licht ihres Geistes, um ihn zu untersuchen.
Sie wollen ihn nicht tot sehen , sagte die Stimme in seinem Verstand ungläubig. In ihm bauten sich Zorn und Entsetzen über diese Schändung auf. Äußerlich konnte er aufgrund des Schocks kaum einen Muskel rühren; innerlich schüttelte er sich wie jemand, der aus schmutzigem Wasser stieg, und schrie sie an: »NEIN!«
Sie zuckte tatsächlich vor ihm zurück, wenn auch nur kurz; dann war das Lächeln wieder da. »Tja, was man nicht alles so findet... was für ein perverses Verlangen.« Sie schüttelte den Kopf. »Außer, es hat etwas mit der Mutter zu tun. Hat sie um sein Leben gebettelt?« Erneut dieses Tasten, doch diesmal prallte es gegen den Panzer von Picards Zorn. Er spürte, wie der Schlag abglitt und ihn verfehlte. »Nein, das glaube ich eigentlich nicht, das ist nicht Beverlys Stil... Sie haßt ihn schließlich ebenfalls und würde ihre Zeit nicht damit verschwenden. Andererseits... wer weiß? Ich muß wirklich mal mit ihr über Sie sprechen. Aber Ihr Wunsch ist sehr seltsam. Warum wollen Sie, daß der Sohn des Mannes, den Sie getötet haben, am Leben bleibt, wenn Sie doch die Chance haben, ihn endgültig loszuwerden? Man sollte doch meinen, seine Abwesenheit wäre der... häuslichen Ruhe zuträglich.«
Picard stand stocksteif da und klammerte sich an seinen Zorn, um ihn weiterhin als Panzerung und Abschirmung einsetzen zu können. »Holen Sie ihn da raus, Counselor.«
Sie starrte ihn an.
»Sofort« , sagte Picard. »Oder wollen Sie einen direkten Befehl nicht befolgen?«
»Nein«, sagte Troi nach einem Augenblick. »Noch nicht. Aber ich wage zu behaupten, daß Sie mir in Ihrem derzeitigen Zustand bald Anlaß dazu geben werden. Und dann seien Sie auf der Hut.«
Picard wartete, während Ihre Leute den Agoniesimulator ausschalteten. Wesley brach zusammen und stürzte stöhnend zu Boden, krümmte sich. Sein gesamter Körper zitterte noch aufgrund der übermäßigen Nervenstimulation. »Mr. Barclay«, sagte Picard. »Rufen Sie ein paar meiner Leute hierher. Sie sollen Mr. Crusher in sein Quartier bringen und ihn bewachen. Niemand darf ihn dort herausholen. Sollte jemand es versuchen, sollen sie ihn unter Einsatz aller erforderlichen Mittel daran hindern.«
»Ja, Sir «, sagte Barclay und schaute zu Trois Leuten hinüber. Offenbar bestand unter den Leibwächtern der verschiedenen Offiziere nicht die geringste Zuneigung.
Picard wartete, bis weitere Angehörige seiner Leibwache eintrafen und Crusher wegbrachten. Troi lächelte noch immer dieses beunruhigende Lächeln und wandte sich betont in die andere Richtung, kehrte auf die Brücke zurück.
»Alles in Ordnung, Captain?« fragte Barclay. »Ich habe gespürt, daß sie Sie überwältigt hat.«
»Sie haben das auch gespürt?« sagte Picard und fing leicht zu zittern an, als er daran dachte.
»Wenn sie in dieser Stimmung ist, Sir, spürt es jeder, selbst in einiger Entfernung. Sie können von Glück sprechen, daß sie Sie nicht mit ihrer richtigen Aufmerksamkeit bedacht hat. Einige haben das erlebt. Einige sind daran gestorben.«
»Ich habe verstanden, Mr. Barclay. Kommen Sie.« Picard ging zum Lift. »Als Dr. Crusher kam, steckte ich gerade mitten in der Arbeit. Ich muß noch etwas abschließen, dann kehren wir auf die Brücke zurück.«
10
N achdem Picard in sein Quartier zurückgekehrt war, machte er sich sofort an die Arbeit; er wußte nicht, wieviel Zeit ihm blieb, bis er erneut gestört wurde. Er setzte sich hinter den Schreibtisch und holte den kleinen Behälter und die Siegelmarke aus seiner Uniform, die er aus Beverlys Schrank entwendet hatte. Dann aktivierte er das Schreibtischterminal, legte ein durch Stimmabdruck gesichertes Programm an und entwarf einen Zugriffskode dafür.
Wesley , dachte er. Sein Verstand war wegen des jungen Mannes in einem solchen Aufruhr, daß er kaum wußte, was er denken sollte. Aber eins stand für ihn fest: Wenn er den Wesley Crusher seines Universums wiedersah, würde er ein klärendes Gespräch mit ihm führen.
Vorsichtig öffnete Picard den Behälter, schob die Siegelmarke hinein und verschloß ihn
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