Dunkler Spiegel

Energieverschwendung mehr.« Sie lehnte sich gegen die Konsole und lächelte angesichts der verzweifelten Schmerzensschreie und der pfeifenden, röchelnden Atemzüge. »Jeder Agoniesimulator wird auf das Schmerzzentrum im Gehirn seines Trägers kalibriert und seinem Nervensystem angepaßt, und der Schmerz wird an die Stellen geleitet, an denen er am stärksten empfunden wird. Bei manchen Männern sind die Hände empfindlicher als der Unterleib; dann empfinden sie den Schmerz eben in den Händen statt im ganzen Körper, wie es bei den alten Modellen der Fall war. Und die modernen Simulatoren richten viel weniger Schäden an als die alten... ist das nicht ein wunderbarer Fortschritt?«
    Sie drehte sich wieder zu der Konsole um, während Picard sich bemühte, nicht die geringste Regung zu zeigen. »Und es gibt noch weitere Verbesserungen«, sagte sie. »Ständige Messungen, welche Nerven überbeansprucht wurden und sich erst wieder erholen müssen, bevor sie wieder empfänglich werden. Die Umleitung der Ladung auf jene, die sich bereits regeneriert haben. Alles wesentlich zufriedenstellender.«
    »Ich dachte«, sagte Picard sehr leise, »ich hätte den Befehl erteilt, ihn in seinem Quartier unter Bewachung zu halten, bis ich mich entschieden habe, welche weiteren Maßnahmen ich ergreifen will.«
    Troi tat den Einwand mit einer Handbewegung ab. »Sie wissen, daß bei Sicherheitsfragen meine Autorität die Ihre übertrifft. Man kann nicht zulassen, daß jemand versucht, den Captain eines Raumschiffs zu ermorden, und dann ungestraft davonkommt.« Ach, das kann man nicht? dachte Picard wütend, sagte aber nichts. »Auge um Auge, Zahn um Zahn, so lautet die Regel, nicht wahr? Er hat um den höchsten Einsatz gespielt. Na und?« Sie zuckte mit den Achseln. »Er hat verloren und bekommt, was er verdient. Wie können Sie da Einwände haben? Oder fühlen Sie sich einfach schon so viel besser, nachdem Dr. Crusher Ihnen ihre... Fürsorge zuteil werden ließ.« Sie warf ihm aus halb geschlossenen Augen einen Blick zu, der dem Wort eine ganz neue Bedeutung gab.
    »Counselor«, sagte Picard, »ich erwarte, daß auch in Belangen der Sicherheit meine Befehle befolgt werden, wenn nicht überaus dringende Gründe dagegensprechen.«
    »Nicht in diesem Fall«, sagte Troi und betrachtete ihn fast fröhlich. »Sie hassen ihn! Sie haben ihn schon immer gehaßt. Sie hassen ihn fast so sehr, wie seine Mutter ihn haßt. Man muß keine Betazoidin sein, um das zu sehen. Sie haßt ihn, weil er sie daran erinnert, was Sie ihr genommen haben. Und Sie hassen ihn, weil Sie wissen, daß er sie an das erinnert, was Sie ihr genommen haben. Aber man kann auf niemanden verzichten, der das Zeug zu einem guten Offizier hat, und sein Vater hatte bei Starfleet noch ein paar Freunde. Das war eine gute Gelegenheit, sie auf eine falsche Fährte zu bringen oder sie bestenfalls zu besänftigen. Sie haben sich also in Geduld geübt und einfach den rechten Augenblick abgewartet. Sie wußten, daß er es irgendwann versuchen würde. Ich glaube, Sie haben ihn sogar dazu ermutigt, damit Sie ihn danach loswerden konnten, ohne mit Nachteilen rechnen zu müssen. Wer erwartet denn schon, daß man einem gescheiterten Attentäter Gnade erweist?«
    Sie wandte sich ab und betrachtete die Konsole. »Heute haben einige Leute gedacht, Ihnen wäre wirklich ein dummer Fehler unterlaufen. Aber ich glaube das nicht. Ich kenne Sie zu gut. Ich glaube, Sie waren absichtlich unvorsichtig. Sie haben ja eine gute Entschuldigung: eine wichtige Mission, eine jener Ruheperioden, in denen die Spannung steigt und man unwillkürlich Fehler begeht... sogar ein Captain. Sogar Sie.« Sie sah ihn an. »Also macht er endlich seinen Zug, und Sie reagieren, schaffen einen perfekten Grund, ihn endlich loszuwerden. O nein, ich weiß, was Sie wollen.«
    »Counselor«, sagte Picard warnend. Ich weiß, was Sie wollen , sagte die Stimme in seinem Kopf.
    Und es war ihre Stimme und gleichzeitig die seine – genau wie die Borgstimme, die in ihm gehallt hatte, gleichzeitig die der Borg und die seine gewesen war. Das machte es so unerträglich – das Gefühl, einen Gedanken zu haben, den er in Wirklichkeit gar nicht hatte.
    Und direkt auf den Fersen dieses Gedankens kam das tiefe, harte Stochern mitten in seinem Innersten, das Gefühl, daß Finger seine Gedanken ergriffen und sie wie Kiesel, Juwelen, Sand durch die Hände tröpfeln ließen – sie flossen davon, wurden erneut von diesen Händen ergriffen, flossen