Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Schleimklumpen.
»Ich will jetzt nichts von Ihnen wissen«, sagte ich.
»Wa –«
»Ich erfahre es ohnehin, wenn Sie im Zeugenstand sind«, fügte ich hinzu.
Ich wandte mich ab, streichelte Beaus Schnauze, holte einen Zuckerwürfel aus der Brusttasche meines Hemds und ließ ihn aus der offenen Hand naschen. Im nächsten Moment hörte ich Darls Motor aufheulen, dann hallte der satte Sound des Zwillingsauspuffs von der Hauswand wider und wurde vom Wind verweht.
28
Am Abend vor den Eröffnungsplädoyers fuhr ich zu Lucas Smothers, nahm einen neuen braunen Anzug, ein weißes Hemd und eine Krawatte von dem Kleiderhaken hinten im Avalon und klopfte an die Tür. Lucas hatte einen Holzlöffel in der einen und ein Schnapsglas in der anderen Hand, als er an die Fliegengittertür kam.
»Du hast dir die Haare schneiden lassen«, sagte ich.
»Ja, genau wie Sie gesagt haben.«
»Was hat du mit dem Whiskeyglas vor?«
»Ach das«, sagte er und lächelte. »Ich backe grade einen Geburtstagskuchen für meinen Vater. Ich messe damit ab. Kommen Sie rein.«
Ich hängte mir den raschelnden Plastiksack über die Schulter und ging mit ihm in die Küche.
»Was is das?« fragte er.
»Ein neuer Anzug für dich. Den ziehst du morgen an.«
»Ich hab einen Anzug.«
»Ja, den hier nämlich. Morgen sitzt du aufrecht auf deinem Stuhl. Du kaust keinen Kaugummi, und du verziehst keine Miene, egal, was der Staatsanwalt oder die Zeugen sagen. Wenn du mir irgendwas mitteilen willst, schreibst du es auf einen Block, aber flüstere mir nicht zu. Unterlaß alles, was bei den Geschworenen den Eindruck erwecken könnte, daß du ein Klugscheißer bist. Wenn Geschworene etwas überhaupt nicht leiden können, dann ist es Klugscheißerei. Sind wir uns da einig?«
»Wieso bleuen Sie mir das extra ein?«
»Weißt du, wie viele Angeklagte sich schon selber reingeritten haben, weil Sie dachten, eine Gerichtsverhandlung sei so eine Art Komödienstadel?«
»Sie sind ja aufgeregter als ich.«
Weil ich weiß, was dir bevorsteht, wenn wir verlieren, dachte ich. Aber ich sagte es nicht.
Er stand barfuß an der Arbeitsplatte und maß mit dem Schnapsglas den Vanilleextrakt ab. Draußen vor dem Fliegengitterfenster zeichnete sich die dunkle Silhouette der Windmühle vor einer gelbroten Wolkenbank ab.
Ich sah zu, wie er das Glas mit spitzen Fingern hielt, als er den Vanilleextrakt in die Kuchenschüssel kippte.
»Wieso schaun Sie mich so an?« fragte er.
»Als ich im Gefängnis das erstemal mit dir gesprochen habe, hast du mir erzählt, du und Roseanne hättet ›ein paar gekippt«, sagte ich.
»Ja, Jim Beam und dazu Bier vom Faß.«
»Aber du hast doch an diesem Abend mit der Band gespielt. Du hattest das blaue Karohemd mit den goldenen Trompeten auf der Schulter an, das Hemd, das du dir extra für die Auftritte gekauft hast.«
»Ja, genau wie diese Jamie Lake gesagt hat.«
»Warum hast du dir Doppellagen gegeben, wenn du noch spielen mußtest?«
»Wir haben eine Pause gemacht. Es waren auch bloß zwei. Anscheinend hab ich nichts im Bauch gehabt oder so. Ich weiß noch, daß Roseanne wegen irgendwas sauer war, das Bunny gesagt hat. Sie wollte, daß wir uns einen Sechserpack besorgen, ein Stück die Straße runterfahren und ihn saufen. Normalerweise hätte ich das nicht gemacht, aber ich war da schon ganz schön zugeknallt.«
»Hat sie genausoviel getrunken wie du?«
»Ja, ich glaub schon.«
»Aber du bist eingeschlafen, sie nicht.«
»Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, Mister Holland.«
»Wo war Darl Vanzandt, als du dir deine zwei Doppellagen gegeben hast?«
»Er war an der Bar. Darl hockt immer in nächster Nähe vom Ausschank, wenn er ins Shorty’s kommt... Stimmt was nicht?«
»Ich habe etwas übersehen. Ich war zu sehr auf den Autopsiebericht von Roseanne Hazlitt fixiert. Ich habe mich auf die falsche Person konzentriert.«
»Was für –«
»Eine Nutte aus San Antonio hat mich darauf hingewiesen, daß Darl Roseanne möglicherweise mit Roofies betäubt haben könnte. Hat er aber nicht. Er hat sie dir gegeben.«
Lucas stellte das Schnapsglas auf die Arbeitsplatte und schaute es wie benommen an.
»Dann haben die mich also zweimal zugedonnert? Damit steh ich, glaub ich, ganz schön blöd da, oder?« sagte er.
»Ich hol dich morgen früh ab«, erwiderte ich.
»Mister Holland, Darl hatte nicht den geringsten Grund, Roseanne umzubringen.«
»Er braucht keinen. Er tut es aus Spaß.«
Mein Antrag auf Einstellung des Verfahrens
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