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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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begangen haben kann.
    Sie werden von diesen Zeugen noch hören, und Sie werden auch erfahren, daß Deputy Sheriffs am Tatort sichergestellte Beweismittel entweder verschlampt oder vernichtet haben, Spuren, durch die wir möglicherweise hätten herausfinden können, wer der wahre Täter ist.
    Mister Pomroy, der Vertreter der Anklage, hat mir einmal erklärt, unsere Strafjustiz sei dazu da, jene zu vertreten, die nicht mehr für sich selbst sprechen können. Er hat recht. Aber sie ist auch dazu da, Unschuldige zu schützen, die Schuldigen ihrer gerechten Strafe zuzuführen und dafür zu sorgen, daß sie keine weiteren Verbrechen begehen können. In diesem Fall hat man nicht nur einen unschuldigen jungen Mann angeklagt und vor Gericht gestellt, man hat auch zugelassen, daß der wahre Täter auf freiem Fuß blieb, in unserer Mitte weilt und die Gelegenheit bekommt, um mit den Worten des Staatsanwalts zu sprechen, ein weiteres junges Leben zu vernichten.«
    Ich ging auf die begründeten Zweifel am Tatverdacht ein, sprach das fehlende Motiv an und erwähnte, daß einige von Roseannes Freunden, soweit sie aus reichen Familien stammten (womit ich Darl Vanzandt meinte), im Zuge der Ermittlungen nicht ein einziges Mal vernommen worden seien. Doch sobald ich aufs Geld zu sprechen kam, tat sich eine Kluft zwischen den Geschworenen auf. Die Schwarzen und die Mexikaner schauten mich weiterhin unverwandt an, scheinbar ungerührt von meinen Worten, während die betuchteren weißen Geschworenen den Blick abwandten, wie auf Knopfdruck ins Leere starrten.
    Als wir uns vertagten, kam Marvin Pomroy am Tisch der Verteidigung vorbei. »Mit Ihrer letzten Ausführung sind Sie ins Fettnäpfchen getreten, Herr Rechtsanwalt«, sagte er.
    Ich rieb mir die Schläfe und schaute auf seinen Rücken.
    »Was hat er damit gemeint?« fragte Lucas.
    »Sag niemals zu einem Republikaner, daß das System, das seinen Wohlstand schützt, korrupt ist.«
    Roseanne Hazlitts Tante war die erste Zeugin, die Marvin aufrief. Sie ging tief gebeugt und auf einen Stock gestützt zum Zeugenstand. Sie wirkte noch gebrechlicher als bei dem Gespräch, das ich neulich bei ihr zu Hause mit ihr geführt hatte. Mit zitternder Hand hielt sie den Griff des Stocks umfaßt; tiefe Furchen zogen sich um ihren Mund; die glitzernden Augen flackerten unstet, so als sei sie tödlich erkrankt.
    Doch die Aversion gegen Lucas verlieh ihr Kraft, löste ihre Zunge, ließ ihre Worte wie Peitschenhiebe klingen.
    »Hat Ihre Nichte Ihnen gesagt, daß sie möglicherweise schwanger sein könnte?« fragte Marvin.
    »Einspruch. Irrelevant«, sagte ich.
    »Es geht um das Motiv«, sagte Marvin.
    »Abgelehnt«, sagte die Richterin.
    »Ja, das hat sie«, sagte die Tante.
    »Und von wem meinte sie schwanger zu sein?« fragte Marvin.
    »Euer Ehren, das Opfer war nicht schwanger. Die Anklage versucht hier, mit haltlosen Unterstellungen einen falschen Eindruck zu erwecken«, sagte ich.
    »Dann stellen Sie das im Kreuzverhör klar. Bis dahin setzen Sie sich hin und halten den Mund«, sagte die Richterin.
    »Sie hat gemeint, daß der da drüben sie geschwängert hat«, sagte die Tante.
    »Sie deuten also auf Lucas Smothers?«
    »Ich zeigte mit dem Finger auf den da drüben, denjenigen, der sie totgeschlagen hat, denjenigen, den ihr nicht wegen vorsätzlichem Mord anklagt, weil ihr euch nicht getraut habt«, sagte die Tante.
    »Einspruch«, sagte ich.
    »Stattgegeben. Die Geschworenen haben die letzte Aussage der Zeugin nicht zur Kenntnis genommen«, sagte die Richterin.
    Doch die Geschworenen würden sich trotz der richterlichen Ermahnung an den anklagend ausgestreckten Zeigefinger erinnern, an die ungehaltenen Worte, die fast so klangen, als wüßte sie insgeheim etwas, das auf Lucas’ Schuld hindeutete. Nachdem Marvin Platz genommen hatte, erhob ich mich und blieb etwa anderthalb Meter vor dem Zeugenstuhl stehen.
    »Miss Hazlitt, ich habe unmittelbar nach dem Tod Ihrer Nichte mit Ihnen gesprochen, richtig?« sagte ich.
    »Sie sind raus zu meinem Haus gekommen, wenn Sie das damit meinen.«
    »Ich habe Sie gefragt, wem sie an dem Abend, an dem sie überfallen wurde, draußen beim Shorty’s eine Ohrfeige verpaßt haben könnte, richtig?«
    »Und ich hab Ihnen gesagt, daß sie noch keinem was getan hat.«
    »Ganz recht. Und dann haben Sie in etwa gesagt: ›Die haben ihr allerlei angetan.‹ Ist das richtig?«
    »Kann ich mich nicht mehr dran erinnern.«
    »Daraufhin habe ich Sie gefragt, wer mit ›die‹

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