Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Da ist bloß das Geld drin, das ich zusammengerafft habe. Die können sich das auch nicht wiederholen. Ich hab nämlich ihre Pferde rausgelassen.
Was willst du damit sagen? fragte ich.
Meine Anverwandten haben Pearl Youngers Freudenhaus und die Opiumhöhle von dem Chinesen in Fort Smith ausgeraubt. Meinst du, das reicht, um eine Kirche zu bauen?
Herr im Himmel, Weib, mit unredlich erworbenem Geld baut man dem Herrn keine Kirche.
Ich sah, daß sie zutiefst gekränkt war.
Außerdem kann ich mich sowieso nirgendwo niederlassen, weil man mich von Gesetzes wegen sucht.
Man sagt, daß es westlich des Pecos weder Gott noch Gesetz gibt.
Wir ritten weiter unseres Weges, obgleich uns der Wind schier aus dem Sattel blies. Schließlich rasteten wir in einem Gebüsch, das genauso aussah wie jenes, in dem ich einst zum Prediger geweiht worden war, und ich breitete meinen Regenmantel über Jennie aus, band meinen Hut mit einem Schal fest und schürte ein Feuer an.
Ich wette, daß es am ganzen Pecos keinen Prediger wie dich gibt, sagte sie.
Dort gibt’s bloß Revolvermänner und Trunkenbolde, Jennie.
Meine Mutter hat mal gesagt, daß in jedem Trunkenbold ein guter Baptist steckt.
Ja nun, was soll man dem entgegenhalten?
Dann sagte sie: Ich wette, den Teufel wurmt es am allermeisten, wenn man sein sündiges Geld wider ihn verwendet.
Ich breitete meine Decke über uns aus und schloß sie in die Arme, und sie schmiegte sich wie ein Kind an meine Brust. Ich spürte, daß wir eins waren im Fleische wie im Geist, so wie es unter Eheleuten sein soll, und ich wußte mit einemmal, daß ich mich nicht mehr mit all den Stimmen und aufgebrachten Männern herumplagen mußte, die mich heimsuchten, und ich sah die Hagelkörner in der Glut unseres Feuers tanzen, und sie waren weißer als jeder Schnee, reiner als jedes Wort, und ich vernahm eine Stimme, die da sagte Vergeben, und ich erkannte augenblicklich, wer da zu mir gesprochen hatte.
Der Gerichtsdiener rief an und teilte mir mit, daß die Geschworenen zurückkehrten.
34
Es war kein dramatischer Moment. Die Geschworenen hatten die Richterin darum ersucht, sich noch am Freitagabend beraten zu dürfen, was darauf hindeutete, daß sie nicht vorhatten, sich bis Samstag oder gar bis Montagmorgen zu vertagen. Der Gerichtssaal war nahezu menschenleer, die Deckenventilatoren warfen dunkle Schatten auf die Sitzreihen, und durch die offenen Fenster drangen die typischen Geräusche eines Spätfrühlingsabends, so als sei das Theater, an dem wir teilhatten, weitergezogen, und wir seien wieder zu bloßen Zaungästen geworden.
Mit Ausnahme von Lucas, als der Sprecher das Urteil »nicht schuldig« verkündete. Er schüttelte den Geschworenen die Hand, der Richterin, mir, Vernon und Temple, dem Gerichtsdiener, dem Hausmeister, der den Boden im Foyer wischte, sogar einem Soldaten, der auf der Treppe vor dem Gerichtsgebäude eine Zigarette rauchte.
»Das war’s? Die können den Fall nicht noch mal aufrollen, was?« sagte er.
»Das war’s, mein Guter«, erwiderte ich.
Im Schatten der Bäume wirkte sein Gesicht beinahe rosig. Ich sah ihm an, daß er noch etwas sagen wollte, konnte fast die Worte hören. Aber Vernon stand neben ihm, und so behielt er alles für sich, all die Gedanken, die ihn umtrieben, und schaute mich nur an, als wolle er am liebsten aus der Haut fahren.
»Gute Nacht«, sagte ich und wollte mit Temple zu meinem Wagen gehen.
»Moment mal. Wieviel stellst du mir dafür in Rechnung?« sagte Vernon.
»Gar nichts.«
»Ich will nichts geschenkt haben.«
»Tja, ich will dich nicht kränken, Vernon. Ich schicke dir die höchste Rechnung, die ich ausstellen kann.«
»Wir kriegen mitten in der Nacht obszöne Anrufe. Ich glaub, der kleine Scheißkerl, dieser Darl Vanzandt, steckt dahinter.«
»Ihr beide haltet euch von diesem Jungen fern.«
»Was soll Lucas denn machen? Sich von der Außenwelt abschotten? ... Moment. Ich bin noch nicht fertig. Was du da gesagt hast, als Lucas im Zeugenstand war ... ich mein, was du dir angetan hast, damit er davonkommt, nun ja ... ich glaube, das spricht für sich.«
Er schaute mich mit ausdrucksloser Miene an, ließ verlegen die Arme hängen.
»Gute Nacht, Vernon.«
»Gute Nacht«, sagte er.
Am nächsten Morgen kam Pete in aller Frühe vorbei und wollte am Weiher angeln. Er war barfuß, hatte einen Strohhut auf, an dem ein großer Anstecker der St. Louis Cardinals hing, und trug eine verblichene Jeans mit dunkelblauen aufgebügelten
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