Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Schweigen einer Frau.
Bei Einbruch der Dunkelheit habe ich mich hingelegt und gedacht, sie würde sich zu mir gesellen. Aber sie hat geschmollt und ist hinunter zu den Erdhöhlen gegangen, um sich, wie ich annahm, am trunkenen Treiben ihrer Anverwandten zu beteiligen, und ich wußte, daß die einsamste Nacht meines Lebens angebrochen war. Draußen vor dem Fenster sah ich mächtige Blitze, die über den ganzen Himmel zuckten. Im Schlaf meinte ich Tausende Rinder zu hören, die laut muhten, als sie den Regen rochen, dann durchgingen und sich Hals über Kopf von einer Klippe in einen bodenlosen Abgrund stürzten.
Als der Morgen anbrach, pfiff ein kalter, giftiger Wind aus Richtung Norden. Hagelkörner tanzten auf dem harten Boden, und dicke Wolken jagten dahin und wurden immer dunkler, so als ob eine Windhose den Staub aufwirbelte und quer über den schwarzen Himmel verteilte. Jennie war nicht zurückgekommen. Ich bereitete mir auf dem Holzofen das Frühstück zu, briet ein paar Brocken gepökeltes Schweinefleisch und packte sie zusammen mit drei geräucherten Präriehühnern in meine Satteltasche. Ich setzte meinen Schlapphut auf, zog Baumwollhemd und Weste an, schnallte meine Chaps um, die vom Fett und Feuerqualm eingeschwärzt waren, hängte meine Navy-Revolver an den Sattelknopf, zog meine Winchester ’73 aus dem Futteral und ritt den Hügel hinab und zwischen den erloschenen Lagerfeuern, den Abfällen und den Fleischdarren des menschlichen Gesindels hindurch, das sich die Dalton-Doolin-Gang nannte.
Die Sackrupfen, die vor den Höhleneingängen hingen, waren mit Steinen beschwert, damit der Wind sie nicht aufwehen konnte. Mein Pferd trat auf ein paar Blechteller, stieß einen Dreifuß samt Kochkessel und einen Tisch voller Einmachgläser um. Aber keine Menschenseele rührte sich in den Löchern, wo meine Jennie schlief. Ich rollte mein Lasso auf, warf es über eine Fleischdarre und zerrte sie durch die Feuergrube, riß einen schmalen Schuppen mitsamt dem Betrunkenen ein, der sich darin aufhielt, fällte das Tor am Schweinepferch und schlitzte den Boden eines Bootes auf, das in den Binsen vertäut war.
Doch vergebens. Jennie kam nicht heraus. Wohl aber einer von den Doolins, ein Kerl mit einem schwarzen Bart und einem Kopf wie eine Wassermelone. Er war barruß, hatte lange rote Unterhosen an, eine Flasche Whiskey in der einen und einen Bündelrevolver in der anderen Hand. Ich zog ihm den Lauf meiner Winchester über die Backe, worauf er sich in den Dreck hockte, als ob er sich soeben den Ziegenpeter eingefangen hätte.
Aber mein Gebaren war kindisch. Meine Jennie war verloren, ebenso dahin wie die unbeschwerten Jahre meiner Jugend.
Ich lenkte mein Pferd durch den Fluß und ritt gen Norden, hinein in das Unwetter. Ich bin nach dem Krieg als Viehtreiber und Jäger über die Hochlandprärie gezogen, aber so ein Unwetter hatte ich noch nie erlebt. Die Steppenhexen, die mir ins Gesicht flogen, fühlten sich an wie die Dornenkrone, die man dem Herrn aufs Haupt gedrückt hat. Ich konnte geradezu hören, wie die Staubwolken den ausgedörrten Boden abschmirgelten; es klang wie eine Lokomotive, die sich mit mahlenden Rändern einen Berg hinaufplagt. Kaum daß ich über dem Hügelkamm war, prasselte weißer Graupel herab, soweit das Auge reichte, und ich wußte, daß mir und meinem armen Pferd ein schwerer Tag bevorstand.
Ich habe mich nicht umgedreht, als ich Hufschlag hinter mir zu hören meinte, weil ich erst dachte, es wäre nur der Hagel, der auf meinen Hut einprasselte. Dann habe ich sie auf einem Falben dahinpreschen sehen, tief über den Widerrist gebeugt, so wie die Wilden reiten, damit sie unter dem Pferdehals hindurchschießen können, mit hochgerutschtem Kleid und bloßen Schenkeln.
Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, aber jedesmal, wenn ich diese Frau auf einem Pferd gesehen habe, hatte ich das Gefühl, als ob in meinem Unterleib ein Banjo aufspielt.
Weder Hagelkörner noch Wind oder Steppenhexen vermochten den Liebreiz der Rose vom Cimarron zu mindern. Ihr Lächeln war wie eine bezaubernde Blume, die des Morgens erblüht, und mein Herz schmolz dahin, als ich ihrer gewahr wurde. An ihrem Sattelknopf hing die dickste Reisetasche, die man je gesehen hat.
Suchst du einen Weggefährten? fragte sie.
Aber gewiß, sagte ich.
Dann will ich gern mit dir reiten.
Du bist marschbereit gewesen und hast mir nicht Bescheid gesagt? Du hast dir da einen üblen Streich erlaubt, Jennie.
Wegen der Tasche hier?
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