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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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Telefon. Vor Angst konnte ich mich nicht rühren. Dann hörte ich sie die Treppe herabrennen und aus dem Haus laufen. Erst da habe ich mich getraut, nach ihm zu sehen. O Gott, o mein Gott!«
    Sie begann hemmungslos zu weinen und warf den Kopf hin und her. Ihre Steckfrisur hatte sich gelöst, und ihr graues Haar wand sich mit jeder ihrer Kopfbewegungen auf dem Kissen wie die Schlangen auf dem Haupt der Medusa.
    Der Hauptkommissar umschloss ihre zitternde Hand mit beiden Händen. »Was haben Sie gesehen? Wer stand da vor der Tür? Bitte, sagen Sie es mir.«
    Eine Männerhand legte sich von hinten auf Starks Schulter, und ein sonorer Bariton sagte: »Hören Sie, die Frau muss sofort in die Klinik!«
    »Ja, ja, sofort«, gab Stark zurück und schüttelte den Griff ab, ohne sich umzusehen. »Bitte, Frau Badtke, es ist äußerst wichtig. Was haben Sie gesehen?«
    »Feuer«, stieß sie hervor. Dabei sah sie ihn an, als habe sie vor Angst den Verstand verloren. »Er brannte. Lichterloh! Sie hatte ihn mit Benzin übergossen … der Kanister, der vor der Tür gestanden hatte … er lag noch neben ihm … und plötzlich hat der ganze Raum gebrannt … ich konnte nichts mehr tun, verstehen Sie … ich konnte nichts mehr für ihn tun … er hat doch gebrannt …«
    »Okay, das reicht jetzt!«, dröhnte der Bariton erneut. Die Stimme gehörte zu einem hünenhaften Notarzt mit schwarzem Vollbart. Er packte Stark erneut, diesmal am Arm, und der Polizist hatte das Gefühl, in einen Schraubstock geraten zu sein. »Raus mit Ihnen! Sehen Sie nicht, dass sie gleich kollabiert?«

    Stark hob kapitulierend die freie Hand und stieg aus. Als die Tür des Rettungswagens hinter ihm zufiel, hörte er Edith Badtkes verzweifelte Schreie.
    »Ich konnte ihm nicht helfen! Gott, vergib mir, ich war zu feige!«
    Dann fuhr der Rettungswagen mit heulender Sirene davon.
    Jemand rief Starks Namen, und er sah sich um. Nur wenige Meter von ihm entfernt stand Jan Forstner inmitten einer Gruppe Schaulustiger hinter dem Absperrungsband und winkte ihm ungeduldig zu.
    »Stark, hören Sie! Ich weiß jetzt, wer sie ist!«

TEIL 4
WAHRE LIEBE

    »Strange what love does.«
    »Ghost of Love« DAVID LYNCH

67
    Der kleine Ort Steinbach lag knapp dreißig Kilometer von Fahlenberg entfernt an der nordöstlichen Grenze des Landkreises. Es war ein idyllisch gelegenes Örtchen, umringt von tannenbedeckten Hügeln, doch an Regentagen wie diesem war von seinem pittoresken Charme nicht viel zu spüren.
    Außerhalb des Ortes, am Fuß einer kleinen Anhöhe, befand sich das Pflegeheim Pfauenhof, ein großer T-förmiger Gebäudekomplex inmitten einer weitläufigen Grünanlage. Der Pfauenhof war Mitte der fünfziger Jahre gegründet worden und genoss einen guten Ruf als Einrichtung für altersdemente und schwerbehinderte Menschen.
    Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, und ein kalter Wind wehte Regenschleier über den Besucherparkplatz. Jan saß auf dem Rücksitz eines dunkelblauen Audis und sah an Stark und seinem Kollegen Erler vorbei auf das Gebäude, das im grauen Zwielicht des frühen Abends etwas Bedrohliches auszustrahlen schien. Doch natürlich war es nicht das Gebäude selbst, von dem die Bedrohung ausging. Es war Jana.
    Jan rutschte nervös auf dem Rücksitz hin und her. Knapp zwei Stunden waren vergangen, seit er an der brennenden Pfarrei eingetroffen war. Jan hatte Stark von seinem Telefonat mit Felix Thanner berichtet, und der Hauptkommissar hatte unverzüglich Nachforschungen über Tatjana Harder angestellt. Tatsächlich war eine Frau dieses
Namens in Steinbach gemeldet. Ihre Wohnanschrift war die des Pflegeheims. Offensichtlich eine Mitarbeiterin, die in einer der angegliederten Personalwohnungen lebte. Das erklärte auch ihren Zugang zu den Drogen, mit denen sie Carla betäubt hatte.
    Des Weiteren hatte man festgestellt, dass zu dem Fuhrpark des Heims auch vier silberfarbene Renaults Twingo gehörten, die von den Pflegekräften des Ambulanzdienstes genutzt wurden. Die vier Wagen standen zu diesem Zeitpunkt nebeneinander am Seiteneingang des Gebäudes.
    Alles schien zu passen, woraufhin Stark eine SEK-Einheit angefordert hatte, um die gemeingefährliche Frau festzunehmen. Nur für den schlimmsten Fall , wie er betont hatte. Nach dem, was man über Tatjana Harder wusste, war ihr alles zuzutrauen – erst recht, wenn sie feststellte, dass sie enttarnt war.
    »Ich bin nach wie vor dagegen.« Erler bedachte Stark und Jan mit einem finsterem Blick. Der Leiter des

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