Dunkler Wahn
beiden Männer an.
»Also gut, von mir aus. Dann soll unser James Bond hier sein Glück versuchen. Aber eines sage ich Ihnen, Ihnen beiden: Wenn da drinnen irgendetwas schiefgeht, ziehe ich Sie zur Verantwortung. Haben Sie das verstanden?«
Stark nickte. »Schon klar.«
Erler wandte sich zu Jan. »Sitzt das Mikrofon sicher?«
Jan sah an sich herab und betastete sein Hemd. Das Klebeband, mit dem ein winziges Mikrofon an seiner Brust befestigt war, spannte unangenehm auf seiner Haut. »Ja, ist alles an seinem Platz.«
Wieder biss Erler die Zähne zusammen. »Gut«, sagte er schließlich. »Also noch einmal: Sobald Sie der Frau gegenüberstehen, geben Sie uns Bescheid. Wir werden hier auf Sie warten. Und wenn diese Frau nicht herauskommen will, unternehmen Sie keinen Alleingang. Dann werden wir hereinkommen. Ist das klar?«
»Voll und ganz.«
Stark sah Jan an. Auch ihm war die Aufregung ins Gesicht geschrieben. »Sind Sie bereit?«
»Ja, wir können anfangen.«
»Machen Sie sich keine Sorgen. Wir werden Sie ständig überwachen. Jedes Ihrer Worte kann hier mitgehört werden. Sollte der Fall der Fälle eintreten, geben Sie uns das Stichwort, und wir sind augenblicklich bei Ihnen.«
»Wird schon schiefgehen«, entgegnete Jan. Er sammelte sich, dann zog er den Reißverschluss seiner Jacke hoch und öffnete die Tür.
Als Jan ausstieg, spürte er, dass seine Knie zitterten. Er warf die Tür hinter sich zu und ging schnellen Schrittes über den Parkplatz zum Gebäude.
Die beiden Polizeibeamten sahen Jan nach, der durch den Regen zum Eingang lief. Aus dem Lautsprecher am Armaturenbrett war sein Atmen zu hören, begleitet von den Reibegeräuschen seiner Kleidung.
»Er muss die verdammte Jacke wieder aufmachen«, murmelte Erler, wissend, dass Jan ihn nicht hören konnte. »Das Reiben stört.«
Obwohl sich Erler nun zusammennahm und keine Miene verzog, konnte Stark die Nervosität seines Kollegen spüren.
Erler schaltete den Scheibenwischer ein. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Jan durch die elektrische Schiebetür ging.
»Gut, ich bin da«, hörten sie Jans Flüstern aus dem Lautsprecher, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Krachen.
»Jetzt hat er die Jacke geöffnet«, stellte Stark fest.
Erler warf ihm einen genervten Blick zu, dann sah er zu den beiden Lieferwagen, die sich zu beiden Seiten des Gebäudes positioniert hatten, und tippte gegen sein Headset.
»Er ist jetzt drinnen. Bereithalten.«
68
Die Empfangshalle des Pflegeheims glich der eines Hotels. Ihre Architektur entstammte einer Zeit, in der das Wort »Einsparungsmaßnahmen« im Sprachgebrauch des
Gesundheitsministeriums noch nicht existiert hatte. Die Mitte des großen Foyers bildete eine kreisförmige Anpflanzung, und weitere Grünpflanzen standen neben den beiden Aufzugtüren Spalier. Kunstdrucke von Franz Marc und August Macke zierten die cremefarbenen Wände, und eine lederne Sitzgruppe nebst ausladendem Zeitungsständer stand für Wartende bereit. In die Wand hinter dem Informationsschalter war ein überdimensionales Mosaik im typischen Fünfzigerjahrestil eingelassen, das dem Signet der Einrichtung – einem radschlagenden Pfau – nachempfunden war.
Jan ging auf den Schalter zu, hinter dem eine pummelige junge Frau mit großer Brille und Pagenschnitt telefonierte und dabei konzentriert auf ihren Monitor starrte. Ihrem Namensschild zufolge hieß sie Petra Körber. Als sie ihr Telefonat beendet hatte, sah sie zu Jan auf und lächelte.
»Herzlich willkommen im Pfauenhof«, begrüßte sie ihn und fügte mit einem mitleidigen Blick auf seine nasse Jacke hinzu: »Sie Ärmster, es hat wohl immer noch nicht aufgehört zu regnen?«
»Guten Tag«, sagte Jan und versuchte, sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen. »Mein Name ist Jan Forstner. Ich möchte gerne zu …«
»Jan Forstner?«, unterbrach sie ihn, und ihre Augenbrauen hoben sich so weit, dass sie hinter dem Rand ihrer Brille verschwanden. » Doktor Jan Forstner?«
»Ja.« Jan vermied es, die Augen zu verdrehen. Schon wieder jemand, der Carlas Buch gelesen hatte.
»Na, das ist aber eine nette Überraschung«, strahlte sie. »Nun lernen wir Sie endlich einmal kennen. Wir haben uns schon gefragt, wann Sie uns wohl mal besuchen werden.«
Nein , erkannte Jan, das hat nichts mit dem Buch zu tun . »Entschuldigung, aber ich verstehe nicht …«
»Sie wollen bestimmt zu Tatjana, nicht wahr?«
Verblüfft sah Jan sie an. »Ja, das ist richtig. Zu Tatjana Harder. Woher wissen
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