Dunkler Wahn
Betrunkene durch ihren Kopf wankten. Sie klangen wie das Echo ihrer eigenen Stimme.
Keine Kratzer.
Warten Sie kurz, ich komme runter .
Wer ist da?
Der dunkle Kombi.
Der Schatten.
Vor allem die Erinnerung an diesen Schatten beunruhigte sie, auch wenn sie nicht mehr wusste, warum. Irgendetwas war mit ihr geschehen, aber was?
Das Denken fiel ihr unendlich schwer. Jeder Gedanke kostete Kraft, die sie nicht hatte. Sie konnte nicht einmal ihre Augen öffnen. Ihre Lider gehorchten nicht. Sie waren schwer wie Blei.
Ich bin so müde.
Am liebsten wäre sie wieder davongedämmert, doch etwas hielt sie zurück. Ein warnender Instinkt, der ihr signalisierte, sie dürfe jetzt auf gar keinen Fall wieder einschlafen.
Etwas ist passiert , sagte dieser Instinkt. Ich kann mich nicht erinnern, aber etwas muss mit mir passiert sein. Es muss mit diesem trockenen Geschmack in meinem Mund zu tun haben. Der Geschmack ist widerlich. Wie … wie … Leder .
Sie wollte schlucken und stellte dabei fest, dass etwas in ihrem Mund steckte. Als sie es mit der Zunge betastete, fühlte es sich rund und hart an. Dann wurde ihr bewusst, dass dieses Ding nicht nur ihren Mund ausfüllte, vielmehr spannte es über ihr ganzes Gesicht und riss in ihren Mundwinkeln.
Irgendwo, ganz in ihrer Nähe, hörte sie das Summen einer Fliege. Und dann dämmerte sie doch wieder in das Dunkel zurück.
49
Jan eilte die Stufen des Stationsgebäudes hinauf und lief durch den Korridor auf sein Büro zu. Eine pummelige Schwester, die gerade aus dem Stationszimmer kam, sah ihn und stellte sich ihm in den Weg.
»Sind Sie Dr. Forstner?«
»Ja, warum?«
»Ich bin Schwester Marion von Station neun«, stellte sie sich ihm vor und machte keinerlei Anstalten, ihm aus dem Weg zu gehen. »Die Vertretung von Bettina.«
»Wieso, was ist denn mit Bettina?«, fragte Jan und sah ungeduldig an ihr vorbei zu seiner Bürotür. Hörte er dort drin das Telefon klingeln?
Nein, da ist nichts. Jana versucht, Zeit zu schinden. Diese Frau ist verrückt, aber sie ist auch berechnend. Dass ich Stark sprechen wollte, konnte sie nicht gewusst haben. Sie wird überlegen, was sie als Nächstes tun soll. Deswegen hat sie mich in die Klinik geschickt. Hier falle ich nicht auf und kann nichts unternehmen, außer auf ihre nächste Kontaktaufnahme zu warten.
Jana braucht Zeit. Aber für was? Für was?
Der Gedanke, dass sie Carla in ihrer Gewalt hatte, schnürte ihm die Kehle zu. Was hatte Jana nur vor?
»Dr. Forstner, hören Sie mir überhaupt zu?« Verwirrt sah er die Schwester an. »Tut mir leid, was haben Sie gesagt?«
»Bettina hat sich krankgemeldet«, wiederholte Schwester Marion und sah Jan nachsichtig an. »Die Ärmste scheint sich eine ordentliche Erkältung eingefangen zu haben. Klang völlig heiser. Außerdem dachte ich, dass auch Sie krankgemeldet seien? So hatte man es mir gesagt. Geht es Ihnen denn wieder besser?«
»Ja, mir geht’s bestens«, sagte Jan ungeduldig. »Entschuldigen Sie, aber ich muss jetzt wirklich …«
Er wollte sich an ihr vorbeischieben, doch die Schwester hielt ihn zurück. »Herr Doktor, noch etwas.«
»Was denn?« Jan musste sich zusammennehmen, sie nicht anzufahren.
»Ihre Frau hat angerufen.«
Jan zuckte zusammen, als habe sie ihm ins Gesicht geschlagen. »Meine Frau?«
Schwester Marion nickte. »So hat sie sich jedenfalls gemeldet. Jana Forstner. Ist das nicht Ihre Frau?«
Jan ballte die Hände zu Fäusten. Er rang um Fassung. »Was wollte sie?«
»Das hat sie nicht gesagt. Aber ich soll Ihnen Grüße ausrichten und dass sie später noch einmal anrufen wird.«
Jan packte sie am Ärmel. »Wann später? Hat sie gesagt, wann sie anrufen wird?«
Mit konsternierter Miene wich Marion vor ihm zurück und streifte seine Hand ab. »Nein, sie sagte nur später. Das war vor ungefähr fünf Minuten. Aber wenn es so eilig ist, können Sie sie ja zurückrufen, oder?«
»Ja«, nickte Jan. »Natürlich, selbstverständlich … Bitte entschuldigen Sie.«
Natürlich konnte er sie nicht zurückrufen. Carlas Handy war abgeschaltet. Auf dem Weg in die Klinik hatte er es mehrmals versucht und inständig gehofft, Jana würde rangehen. Doch er hatte immer nur Carlas Stimme zu hören bekommen, die ihn aufforderte, eine Nachricht zu hinterlassen und sich kurz zu fassen.
Er würde warten müssen. Und er durfte niemanden ins Vertrauen ziehen. Nicht, wenn er Carla nicht noch zusätzlich gefährden wollte. Ihm waren die Hände gebunden.
Janas Spiel ging
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