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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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Dort hatte ihm jemand die Kehle durchgeschnitten.

KAPITEL 5
    Diejenigen von uns, die noch ein Reittier hatten, machten sich auf die Suche nach den Pferden. Wir fanden die meisten von ihnen zusammen, aber ein halbes Dutzend und zwei Maultiere fehlten. In wenigen Stunden würde es dunkel sein; die Tage waren bereits kurz. Wir mussten uns mit dem Verlust der Tiere abfinden. Jemand würde sich beglück wünschen.
    Ein Glück im Unglück war für uns, dass viele Bauern im Umkreis von Hardanger ihre Felder bereits abgeerntet und für den Winter umgepflügt hatten. So standen in der Gegend genug Zugochsen zum Verkauf. Die Einheimischen waren bereit, auch Joche für die Och sen zu verkaufen, obwohl die Söldner nicht versäumten, uns unbeliebt zu machen. Silvus überraschte einen von ihnen dabei, wie er einem Ackerknecht einen Lederriemen um den Kopf legen und zusammendrehen wollte, um zu erfahren, ob der Mann etwas über den Angriff wusste.
    De Lacy war dafür, sofort umzukehren, vorzugsweise mit meiner Haut als Satteldecke. Ein so schlechter Reiter wie ich hatte anschei nend nicht das Recht, das Schlachtross eines adligen Herrn zu erstechen, und ob ich Recht getan hatte oder nicht, spielte dabei keine Rolle. Ungehobelte Kerle, die frisch vom Misthaufen gekommen und irrtümlich in einen Stand erhoben worden waren, der ihnen nicht zu kam, hatten sich mit ihren schmutzigen Händen nicht am Eigentum adliger Herren zu vergreifen…
    An dieser Stelle bemerkte Silvus, dass er sich frage, ob Ser Joachim den Adelstitel eines Mannes in Zweifel zie hen wolle, der ihn aus den Händen des Grafen selbst er halten hatte. Er sagte es laut genug, dass Ruane es hö ren konnte, und der Graf blickte missvergnügt drein. Er wandte sich um, und in seine Stimme kam eine Härte, die ich bis dahin nicht gehört hatte. »Meine Herren, Ihre pri vaten Streitigkeiten sind Ihre Sache. Aber wir müssen weiter. Es gibt keine Umkehr ohne Entehrung. Ich möchte nichts mehr davon hören.«
    Dabei sah er mich nicht einmal an. Ich stand da, blickte in dieses lange, schmale Gesicht und fragte mich, ob Be fehlen etwas sei, was man lernte, oder ob man dazu ge boren wurde. Oder vielleicht beides. Ruane hörte sich an, als hätte er soeben etwas wiedererlernt, was er immer schon wusste.
    Aber die Tatsachen waren klar genug, daran gab es nichts zu deuteln. Ich zuckte die Achseln. Jeder konnte sehen, dass das Pferd hoffnungslos verkrüppelt war und dass ich das einzig Mögliche getan hatte. Dennoch sahen die adligen Herren mich seltsam an.
    »Was ist ihr Problem?«, fragte ich Silvus, als ich eine Gelegenheit fand.
    Diese Gelegenheit ergab sich erst, als wir zum Dorf rit ten, jeder ein paar Ersatzpferde an den Zügeln führend. Die Fuhrwerke und Karren mit ihren Lasten von über flüssigem Putz und Leichen knarrten langsam vor uns dahin. Alles passte sich jetzt dem langsamen Schritt der Ochsengespanne an.
    Wir überwanden die letzte Anhöhe.
    Silvus warf mir einen Blick zu. »Problem? Sie erwarte ten von dir, dass du dich aufregen würdest. Er zog deine Ehre in Zweifel. Du setztest dich nicht zur Wehr. Jetzt fra gen sie sich, ob du ein Hasenfuß bist.«
    »Was, ich?«, platzte ich heraus. Ausgerechnet… Mein Gehirn brauchte ein Weilchen, um sich aus dem Dämmer zustand aufzurappeln, der sich daraus ergeben hatte, dass mir das Kinn auf die Brust gesunken war. »Ich habe zwei von diesen Strolchen erledigt, während der Herr mit der eisernen Hose wie ein Anfänger abgeworfen wurde und auf den Hintern flog!«
    Silvus lächelte. Er schien amüsiert.
    »Gewiss. Aber Herren von Stand haben an andere Dinge zu denken als an eine ordinäre Balgerei mit Stra ßenräubern im Dreck. An ihre Ehre, zum Beispiel.« Er spuckte aus, dann blinzelte er in die tief stehende Sonne. »Man fragt sich, woher dieses Gesindel die Armbrüste bekommen hat. Diese Dinger sind nicht billig. Und sie waren die einzigen neuen Waffen, die sie hatten. Außerdem waren sie im Umgang damit nicht allzu geschickt. Schossen die meiste Zeit vorbei…«
    Er schwieg. Gut und schön für ihn. Niemand hatte Zweifel an seinen Qualitäten.
    Ich war ein Edelmann? Es wurde Zeit, dass ich wie einer behandelt wurde. Je mehr ich darüber nachdach te, desto mehr wurmte es mich. Ich hatte wie… wie ein Bauerntölpel dagestanden und mich von diesem Gecken abkanzeln lassen.
    Das Dorf Hardanger lag zusammengedrängt in einer Senke zu beiden Seiten der Furt durch einen kleinen Fluss, der rauschend über die ausgewaschenen

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