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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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Felsen zwischen zwei Höhenzügen stürzte und unterhalb des Dorfes in gemächlichen Mäandern auf die Ebene hinaus strömte. Im letzten Tageslicht sah alles dunkel und zu sammengekauert aus. Jenseits des Dorfes lagen die dunk len Moor- und Heidelandschaften und das Ackerland hatte sich zu einer Felderbreite auf jeder Seite des Fahrweges verengt. Die struppigen, verfilzten Moorwälder schoben sich näher heran. Der Fahrweg trug hier draußen wenig Verkehr, war nach Regenfällen schlammig, wies abenteuerliche Schlaglöcher auf und war schmaler als westlich von hier. Am leeren Himmel kreisten Bussarde und der Wind trug feuchten Torfgeruch und den Duft von Stechginster herüber.
    Das Dorf war eine ärmliche Ansammlung von stroh gedeckten Häusern mit Wänden aus lehmbeworfenem Flechtwerk um einen Anger, durch den der kleine Fluss strömte. Es gab zwei Gebäude in Fachwerkbauweise, die ein wenig solider und dauerhafter aussahen: das Gasthaus und ein weiträumig angelegtes Gutshaus. Die ganze Bevölkerung war im Licht des Sonnenuntergangs aus den Häusern gekommen, um den Einzug der Kolonne zu sehen, zweifellos das aufregendste Ereignis seit Men schengedenken.
    Ich sah mich um. Ich war in einem Dorf wie die sem aufgewachsen, wo die Ankunft eines Händlerkarrens oder eines wandernden Kesselflickers für Tage Gesprächsstoff lieferte, wo das Gleichmaß der Arbeit und der Gang der Jahreszeiten unveränderlich waren und von jeher das Leben prägten, tröstlich und erstickend zu gleich. Dann hatte ich einen Soldaten gesehen und war mit vierzehn Jahren verrückt genug gewesen, davonzulaufen und mich den Söldnern anzuschließen. Ich über legte, ob welche von diesen barfüßigen Bauernjungen, die jetzt herumstanden und uns angafften, auf diese Er fahrung reagieren würden, wie ich es getan hatte. Ich wünschte es ihnen nicht. Sie würden nicht das Glück haben, einen Vorgesetzten wie Silvus zu bekommen, je manden, der sich um einen heimwehkranken, greinenden Trommlerjungen kümmerte, der seine Mutter ersehnte. Eher würden sie in den Dienst eines betitelten Schwachkopfes wie de Lacy kommen. Oder eines tyrannischen Leuteschinders wie Barras.
    Ich musste warten, während der örtliche Landedel mann, ein Fettwanst namens Heulmes, vom Rücken eines Pferdes auf dem Dorfanger übertriebene Willkommens floskeln von sich gab und uns sein Bedauern über den Angriff der Straßenräuber aussprach. Hinter ihm überspannte eine Holzbrücke den kleinen Fluss und jenseits davon stand auf einer geringen Anhöhe das Gutshaus. Es war einmal ein befestigter Platz gewesen und an einem Ende ragte noch immer ein gedrungener, düsterer Turm. Aber der andere Flügel war weitläufig und reich an Fenstern mit rautenförmigen Butzenscheiben inmitten eines Gartens, in dem die grauen Rippen bröckelnder alter Mauern als Stützen und Spaliere für Obstbäume und Himbeersträucher dienten oder von Efeu und wildem Hopfen überwachsen waren. Außerdem mochten sie Schutz gegen die scharfen kalten Winde von den Mooren bieten. Nun, warum nicht? Seit zwei Generationen hatten hier keine Kobolde mehr geplündert. Es gab keine wilden Stämme, die oben in der Wildnis hausten. Kein düsteres Nachtvolk. Warum wie ein Tier in einem feuchten Bau kauern, einer Residenz, deren Verteidigungsfähigkeit in engem Verhältnis zu ihrer Unbequemlichkeit stand?
    Der Landedelmann hatte sicherlich über diese Dinge nachgedacht, wenn er überhaupt nachdachte. Er zeigte ein rotes, gebräuntes Gesicht und einen lockigen braunen Bart und unterschied sich in seinem Aussehen kaum von irgendeinem seiner Landarbeiter. Aber der Rücken seines Pferdes bog sich unter seiner Last. Er hatte seine besten Kleider angelegt, wollenes Tuch, einen grauen Umhang und eine silberne Spange in der Gestalt seines Wappens, eines Jagdhorns. Wäre ich in besserer Stimmung gewesen, hätte ich mich für ihn erwärmen können, weil er offen sichtlich nervös war, aber nicht jetzt. Ich ließ meinen Blick auf der Rückseite von Ser Joachims feinem bläulichem Helm ruhen, als könnte ich mit den Augen Löcher hindurchbrennen.
    Der Graf sagte ein paar anmutige Worte. Wir drängten durcheinander, während die Reihenfolge geklärt wurde, dann überquerten wir jeweils zu zweit die Brücke. Natür lich nur die Standespersonen. Die Körper der Nicht-Vor nehmen wurden taktvoll entfernt und für ein anständi ges Begräbnis zum Friedhof geschafft. Mehr wurde nicht gesagt.
    Wir konnten nicht alle im Gutshaus schlafen;

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