Dunkler Winter
tatsäch lich hatten sie Schwierigkeiten, in der langen Halle, wo gegessen wurde, Sitzplätze für uns zu finden – nicht aus Mangel an Raum, sondern weil es an Tischen fehlte. Man gewann den Eindruck, dass nur die Familie und ein paar Diener wirklich hier lebten. Glücklicherweise gab es kei nen Alkohol. Die Knappen, Söldner und Bediensteten sollten im Gasthaus untergebracht werden, was bedeutete: im Heu über den Stallungen. Es war nur ein ein faches Wirtshaus.
Wenn man ein Edelmann ist, nimmt man Gastfreund schaft einfach an und denkt sich nichts dabei, nehme ich an. Ich aber konnte nicht umhin, die besorgten Gesichter der Dame des Hauses und des Verwalters zu bemerken, und ich konnte mir den Grund denken. Am Essen gab es nichts auszusetzen, meistens war es Wild – der Landedel mann musste seine Jäger seit einer Woche ausgesandt haben. Aber würde das Gefolge des Grafen Anstoß daran nehmen, dass es aus hölzernen Bechern trinken und von einem rohen Holztisch essen musste, der nur notdürftig mit einem geflickten Tuch gedeckt war? Würden sie Wein verlangen, der hier draußen kostspielig und schwierig zu beschaffen war? Oder würden sie sich mit Bier zufrieden geben? Würden die Servierer, die nur hastig unterwiesene Dorfbewohner waren, Ungeschicklichkeiten oder schreckliche Fehler machen?
Nun, das Bier stellte mich zufrieden. Es war gutes Bier. Ich trank einen Krug davon und tat mir mit den Fleisch schnitten vom Wildbret keinen Zwang an, und dann erin nerte ich mich meiner eigenen spärlichen Ausbildung in höflichen Manieren. Wenn es verlangt wurde, musste ich im Feld am Tisch dienen – das war die Pflicht eines Knap pen. So ging ich zum Kopfende der zusammengescho benen Tische, um meinen Herrn zu fragen, ob er etwas wünschte.
Silvus war der Jüngste unter den adligen Herrschaften und wurde als Letzter mit Lob und Anerkennung be dacht. Von den fünf Rittern, die über ihm an der Tafel saßen, war de Lacy der Nächste und saß neben ihm. Der Graf saß zur Rechten des Gastgebers, wie es sich gehörte, und Hubert auf der anderen Seite. Schwester Winterridge saß zur Rechten der Dame des Hauses, Silvus gegenüber.
Anscheinend konnte die Konversation es nicht mit dem munteren Plätschern des Quellwassers aufnehmen, das draußen vor dem Haus aus einem löwenmäuligen Bron zerohr in ein Granitbecken floss. Der Graf schaute ver drießlich drein, und der Gastgeber war dabei, eine Ge schichte über einen Rehbock zu erzählen, den er einmal gejagt hatte, eine Geschichte, die seine Frau, nach ihrer Miene zu urteilen, mindestens schon tausendmal ge hört hatte und wusste, dass sie keinen Eindruck machen würde. Niemand sonst sagte viel. Silvus aß wie immer, bescheiden und ohne Genuss, aber säuberlich und ohne den geringsten Rest auf dem Teller zurückzulassen. Ich näherte mich von hinten und schob mich seitwärts an der Wand entlang, um zu ihm zu gelangen. Ser Joachim ließ sich einen Becher Wein reichen, schnüffelte zweifelnd daran und goss ihn dann auf einen Zug hinunter, als wollte er andeuten, dass es besser sei, den Geschmack auf einmal hinter sich zu bringen. Als er den Kopf in den Nacken legte, sah er mich, und seine Brauen, die alles von ihm waren, was ich über dem Rand des Bechers sehen konnte, zogen sich zusammen.
Ich beugte mich vor, um zu Silvus zu sprechen. Da es andere Ohren gab, tat ich es förmlich. »Mehr Bier, Ser?«, fragte ich.
Silvus winkte ab. Er wollte etwas sagen, aber de Lacy kam ihm zuvor.
»Ihr Knappe, Ser Silvus«, bemerkte er, nachdem er den Becher vom Mund genommen hatte, »ist hier, um seine gesellschaftlichen Manieren zu beweisen. Sehr ordentlich. Ein höchst bemerkenswerter Mann.«
Seine Stimme unterbrach die Jagdgeschichte und hatte verwundertes Schweigen zur Folge.
»Offensichtlich versteht er viel von Pferden. Man sieht es seiner Haltung an, wenn er reitet.«
Einer der Knappen, der auf der anderen Seite des Ti sches Dienst tat, kicherte. Ich verbeugte mich und wollte mich zurückziehen.
Offenbar war de Lacy bereits angetrunken. In der plötz lichen Stille fuhr er fort, vorgeblich noch immer zu Silvus gewandt: »Es ist klar, dass er mit ihnen aufgewachsen ist. Könnte es sein, dass sein Vater ein Stallknecht war – oder vielleicht ein Pferdeverschneider? Er könnte in der Lage sein, uns darüber aufzuklären. Das heißt, wenn er eine Vorstellung davon hat, wer sein Vater tatsächlich war?«
Es kam zu einer jener atemlosen Pausen, in denen jeder versteht, was gerade
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